Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Meine Mutter kam mit den anderen Eltern, um mich abzuholen. Das war an einem Morgen, ich flocht meine Zöpfe und jemand rief: „Tanja, deine Mutter holt dich ab!“
  2. Ich lief zu ihr und schrie: „Mütterchen, bring mich weg hier!“ Sie sagte, dass sie das natürlich tun werde. Aber der Lagerdirektor…
  3. Ich kannte ihn, er war Verwaltungsleiter an unserer Schule. Er sagte, dass ich nicht gehen dürfe. Meine Mutter antwortete ihm – ich war beim Gespräch dabei: „Ich würde eher hier sterben, als ohne sie abzufahren!“
  4. Er sagte: „Sterben Sie! Die Heimat wird sie großziehen.“ Die Eltern machten aber Druck, und wir durften gehen. Gerade da, eine Woche (nach unserer Ankunft), wurden unsere Sachen gebracht, mein Köfferchen natürlich mit den Sommersachen, denn meiner Mutter und den anderen Eltern war es nicht klar, dass das kein Eintageskrieg ist.
  5. Und ein Päckchen: ein kleines Kissen und eine kleine Decke. Meine Mutter nahm das mit, sagte aber, dass sie mich auch ohne Sachen mitnehmen würde.
  6. Wir fuhren dann zurück. Wir bekamen mit: Ein Heuwagen fährt zur Station. Die Eltern besprachen mit den Leuten auf dem Wagen, dass wir mitfahren. Die Erwachsenen wollten sie nicht mitnehmen, sie sagten, dass die Pferde es auch so schwer hätten.
  7. Und ich durfte für Zucker und ein Baguette [Brot??]… Geld wollten sie nicht nehmen, sie sagten, bald seien die Deutschen da, sie könnten dann das Geld nicht gebrauchen.
  8. Also für Lebensmittel hoben sie mich nach oben auf die Ladung und wir fuhren langsam in der Nacht. Am Morgen kamen wir zur Station und da fragte mich meine Mutter: „Willst du was essen?“ Ich sagte: „Sehr!“ Wir kamen in die Bahnhofsgaststätte, da gab es graue Nudeln mit irgendeiner Soße, die ich früher nie essen wollte.
  9. Hier schmeckten sie mir aber sehr gut. Ich glaube, ich schluckte sie runter ohne zu kauen. Eine Frau setzte sich neben uns und fragte, woher so ein hungriges Kind komme. Ich begann zu erzählen. Meine Mutter sagte: „Schweig! Wir werden sonst verhaftet.“