Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Für uns Ankömmlinge, die im ukrainischen Klima lebten... Das war ja immerhin „die Kornkammer“, egal wie die Zeit war. Uns schien es, als ob wir am Ende der Welt gelandet wären. Da waren riesige Berge und Hügel. Waren Sie mal im Ural, ja? Ist es wahr, was ich sage? Also riesige Berge und Talkessel.
  2. Die Stadt bestand aus einer Straße, Tag und Nacht gab es Flammen und Ruß, die Fabrik lief auf Hochtouren. Und die Holzbaracken, man begann uns unterzubringen. Die Baracken waren hallenartig, die Familien schirmten sich voneinander mit Bettlaken ab. So waren die Wohnverhältnisse.
  3. Mein Vater wurde bald auf eine lange Dienstreise in das andere Werk in Nischnij Tagil geschickt. Das ist nicht weit weg, und wir blieben da. Vielleicht klingt das komisch, ich kokettiere aber nicht: Ich weiß nicht mehr, ob ich in Gubacha zur Schule ging. Wir blieben über ein Jahr da und zogen dann in eine andere Stadt.
  4. Wir wurden alle dorthin versetzt. Ich weiß nicht mehr, ob ich zur Schule ging. Ich weiß nur eines: Ich ging mit einem großen Topf aus der Baracke zur Fabrikkantine, um das sogenannte Mittagessen abzuholen. Die Mitarbeiter bekamen eine Suppe usw., und ich Junge defilierte dorthin. Der Vater arbeitete in Nischnij Tagil.
  5. Nein, wir wohnten doch etwa anderthalb Jahre dort, es ist aber vielleicht nicht so wichtig. Kurz gesagt, dann wurde beschlossen… Das war nach der Schlacht um Moskau. Das auf verschiedene Städte verteilte Institut wurde nach Swerdlowsk verlegt. Das ist die Hauptstadt des mittleren Ural, eine Stadt, wo wir uns einfinden konnten.
  6. In Swerdlowsk wohnten wir in einem einstöckigen Holzhaus und hatten ein Zimmer in der großen Gemeinschaftswohnung. In der Mitte stand ein Eisenofen mit einem Rohr. Sowohl in Gubacha als auch die erste Zeit in Swerdlowsk hatten wir es sehr schwer. Wir hatten zwar Lebensmittelkarten usw., hungerten trotzdem.
  7. Ich war jedoch schon größer, wir hielten uns wie alle irgendwie über Wasser. Ich weiß noch, ich aß sehr gerne Brennnesselsuppe. Ich sammelte Brennnesseln am Straßenrand und meine Mutter kochte (die Suppe). Kartoffeln waren auch ein Problem. Sie kamen in die Suppe, und aus den Schalen wurden irgendwie Pfannkuchen gebacken, andere Sachen (wurden) beigemischt.
  8. Ich behielt noch eine Sache in Erinnerung: Wir hatten keine Schulhefte. Und man kann es auch anders bewerten, aber mein Vater brachte aus dem Institut abgeschnittene Pauspapierränder. Wir machten Schulhefte daraus, und er zeichnete mit Tusche darin Quadrate und Linien. Diese Episode aus meiner Schulzeit weiß ich noch.