Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Bei Uman liegt die kleine Stadt Teplik, mein Vater stammt von dort. Die Eltern meines Vaters waren Brazlawer Chassiden.
  2. Der Krieg kam sehr schnell dahin. Ich glaube, die deutschen Truppen nahmen Uman in der dritten Juli-Woche ein. Meine Großmutter war kurz vor dem Krieg nach Odessa gefahren, zur Augen-OP, sie konnte immer schlechter sehen. Da brach der Krieg aus, sie kam mit Schwierigkeiten zurück nach Teplik und blieb da. Sie konnte nicht operiert werden und wurde blind.
  3. Die Großeltern hatten noch eine Tochter, die Schwester meines Vaters. Ihr Mann war jung, er wurde in die Armee einberufen. Sie hatten zwei kleine Kinder. Sie alle blieben in Teplik, konnten nicht in die Evakuierung gehen. Meine Großmutter war blind, ihre Tochter hatte kleine Kinder, alle Männer waren in der Armee.
  4. Die Deutschen nahmen Teplik ein. Was haben Sie dann getan: Sie schickten alle jungen Leute ab 13-14 Jahre in die Lager, sie mussten dort schwer arbeiten. Im Ort blieben nur alte Leute, Frauen und Kinder. So war es bequemer, mit ihnen fertig zu werden.
  5. Sie schliefen in ihrer Kleidung, das dauerte einige Monate. Jede Nacht wurden Leute abgeholt und erschossen. Ihre ukrainischen Nachbarn erzählten ihnen heimlich, dass ein großer Graben außerhalb der Stadt ausgehoben wird: „Das ist für euch.“
  6. Die Ukrainer begrüßten die Deutschen mit Brot und Salz, vielleicht dachten sie wirklich, die Deutschen seien eine zivilisierte Nation, sie würden für Ordnung sorgen. Jeder will ja richtige Ordnung. Niemand ahnte aber, was für eine Ordnung kommt.
  7. Die Deutschen machten sofort einen Anschlag: „Wer den Juden hilft, wird mit der eigenen Familie erhängt.“ Klar, den Ukrainern wurde nichts angetan, nur den Juden. Ja, wissen Sie, das ist so eine Sache…
  8. Das Ganze dauerte einige Monate. Die jungen Menschen waren in den Lagern. Meine Tante Manja war auch im Lager, sie war 14 Jahre alt. Sie erzählte, sie mussten schwer arbeiten, waren hinter Stacheldraht.
  9. Also, mein Großvater, meine Großmutter, ihr kranker Sohn und ihre Tochter mit zwei Kindern und meine Tanten und Onkel, sie wurden alle in diesem Graben erschossen.
  10. Ich lasse die Einzelheiten einfach weg, weil ich darüber nicht mehr sprechen kann. Nach dem Krieg kehrten wir zurück, mein Vater und ich suchten das Grab auf. In Teplik konnten nur die Juden überleben, die an der Front waren und nicht fielen.
  11. Und wer es schaffte, sich evakuieren zu lassen. Das waren aber sehr wenige, sie arbeiteten in Betrieben, die von Sowjetbehörden evakuiert wurden. Die meisten blieben aber zu Hause.
  12. Überlebt hat meine Tante Manja, die im KZ war. Sie konnte fliehen. Eine andere Schwester meines Vaters war auch im Lager. Sie traute sich nicht zu fliehen, denn die Strafe dafür war Erschießung.
  13. Tante Manja war mutiger: „Wir werden sowieso erschossen!“ Die anderen hofften, dass sie nicht erschossen werden. Tante Manja konnte irgendwie fliehen, sie rettete sich wie nur sehr wenige. Alle anderen kamen ums Leben. Sie rettete sich und lebt jetzt in Jerusalem.
  14. Es ergab sich so, dass von der Großfamilie Viknyanski nur mein Vater überlebte. Alle seine Verwandten: die Eltern, seine Schwestern und ihre Kinder, seine Brüder, Cousins, Tanten und Onkel kamen in Teplik um.
  15. In unserer Familie gab es nur Mädchen, 4 Schwestern. Wir beschlossen: Wenn wir heiraten, behalten wir den Namen Viknyanska. So haben wir es auch getan, wir alle heißen Viknyanska.