Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Ich ging (öfter) „auf Pirsch“ hinaus, um etwas zu besorgen… Bei uns gab es keine Sterne, sondern ein Stück gelben Stoffs – bei allen und den Kindern auch. Wir befestigten diese gelben Stoffstücke (an der Kleidung). Ich ging oft (aus dem Ghetto) hinaus, und da war ein Müller. Er war Jude, hatte aber eine weißrussische Familie.
  2. Er war irgendwie gut zu mir. Die Bauern gaben mir etwas Korn, ich sammelte und brachte es (zum Müller). Er gab mir (dafür) etwas Mehl. So brachte ich Mehl und Kartoffeln (ins Ghetto). Ich mischte es wie meine Mutter und wir – ich und zwei Brüder – lebten davon. Soweit es reichte, gab ich auch den anderen Kindern zu essen.
  3. Später begann das Sterben. In der Familie von Pritzker, der auf einem Foto (mit meinem Vater) drauf ist, waren es vier Kinder. Der älteste hieß Roma, seine kleinen Geschwister waren etwa sieben und vier. Dazu kam ein Mädchen, ein einjähriges Baby. Sie starb bald, sie hatte Glück, wie merkwürdig das auch scheinen mag. Wir, die Jungen, legten sie in einen Korb, trugen sie über die Straße und begruben sie in einem Schuppen.
  4. In der Zeit fuhr ein Lkw am Straßenrand vor. Es gab eine Bekanntmachung: Die Kinder müssen alle warmen und wertvollen Sachen zum Lkw bringen. Wir hatten noch Vaters Pelzmantel, sonst gar nichts. Und wir hatten Angst, denn in jeder Bekanntmachung stand zum Schluss: „Wer nicht Folge leistet, wird erschossen.“ Wir trugen den Pelzmantel zum Lkw. Da guckte ein großer Mann in SS-Uniform hinaus. Es war schon kalt, es war ungefähr der 20. November.
  5. Er nahm den Pelzmantel, und ich weiß noch, wie er merkwürdig um sich schaute und die Tür schloss. Und Schluss, wir gingen dann. Danach hatten wir keine Nachrichten mehr von den Eltern, wir wussten ja nicht, was mit ihnen los ist. Einige Jungen im meinen Alter taten sich zusammen, darunter auch Dowik aus dem Ort. Es gab das Gerücht, die Eltern würden bei Propojsk Kartoffeln oder so ernten. (Die Jungen) schlängelten sich dahin durch und holten sich Auskunft in den Dörfern. Keiner wusste natürlich davon. Sie kamen dann zurück, ohne Nachrichten.