Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Es wütete ein Schneesturm, während ich weiter nach Kiew ging. Da kam ich auch in ein Haus hinein, wo ich übernachten durfte. Da waren irgendwelche Männer… Einer der Männer schaute mich lange an, sodass ich überlegte wieso. Es stellte sich heraus, dass ich verlaust war, was ich erst später kapierte. Sie ließen mich bei sich übernachten.
  2. Ich zog mich aus und sie brachten meine ganze Kleidung in die Dampfsauna, das habe ich noch im Gedächtnis. „Wo gehst du hin?“ (, wurde ich gefragt). Ich sagte: „Nach Kiew“, und eine Frau schüttelte den Kopf. Denn in Kiew herrschte schrecklicher Hunger. Am Morgen zog ich meine Kleidung an, sie war bereits sauber und (mir fiel) es irgendwie leichter.
  3. Sie ließen mich auf den Pferdewagen steigen; sie fuhren zu einer Kindertaufe oder so. (Später) ging ich über die Landstraße nach Kiew. Etwa 20 Kilometer vor Kiew verlegten die Deutschen, (Männer) von der Nachrichtentruppe, eine Leitung. Ihr Lkw stand da und ich bat darum mitzufahren. Sie brachten mich zum Stadtrand von Kiew.
  4. Die Stadt war groß und ich wusste nicht wohin. Da sah ich einen Mann Kohle auf einem Schlitten ziehen. Ich ging neben ihm und zog die Kohle mit. Es war gerade in der Zeit (des Massakers von) von Babij Jar, am 31.12.1941… Wir schleppten die Kohle ins Haus. Es war bitterkalt. Das Brot, das ich im (vorherigen) Haus bekommen hatte, war gefroren.
  5. Wir gingen hinein. Auf dem Ofen weinte jemand, der Mann sagte: „Da ist mein Sohn, er stirbt vor Hunger.“ Ich wollte das Brot brechen. Er gab mir eine Axt und wir zerhackten das Brot. Ich ließ ein Stückchen für mich und (gab den Rest ab). In der Nacht lag ich auf einer Bank, es war schrecklich kalt, ich hüllte mich ein. Nachts hörte ich, wie der Mann in mein Täschchen griff, um das (restliche) Brot zu nehmen.
  6. Ich sah und hörte es, beachtete es aber nicht. Ich ließ meine Tasche und alles da und ging. Ich überquerte den Kanal, in der Nähe lag eine kleine Anhöhe. Es war der 1. Januar. Die Leute versammelten sich da auf einem kleinen Markt. Ich kaufte Sonnenblumenkerne für 10 Rubel und ging umher… Plötzlich begann eine Razzia.
  7. Da waren Frauen mit Körben, wie sollte ich da untertauchen? Und meine Kleidung war eben so. Gut, ich trug Bastschuhe, aber was bringt das? Ich schloss mich einer alten Frau mit einem Korb an. Ich half ihr den Korb zu tragen. Am Ausgang (des Marktes) fragte sie ein Polizist „Deiner?“ auf Ukrainisch. Und ich sprach ja weißrussisch. Doch sie nickte (nur) und das reichte um hinauszukommen.