Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Wahrscheinlich bald danach erkrankte Mama an Skorbut. Sie war bettlägerig, konnte nicht mehr aufstehen. Ich weiß nicht mehr, wie es war, aber die Hausbewohner, die noch in Leningrad waren, taten sich irgendwie zusammen und unterstützten sich nach Möglichkeit gegenseitig. Mama und mich nahm eine einfache russische Frau auf.
  2. Und mir blieb in Erinnerung – diese Episode ist mir unvergesslich: Sie erlaubte mir, ein winziges Stück Brot auf der Herdplatte zu rösten. Für mich war es ein Fest und ein Staunen. So konnten wir irgendwie die Blockade überleben. Später kam Mama etwas zu Kräften und bekam eine Arbeit. Sie arbeitete im Labor, wo man Medikamente gegen Skorbut entwickelte.
  3. Einmal bekam sie auf der Arbeit einen Gutschein für eine Kantine. Das war vielleicht eine Parteikantine – ich weiß es nicht. Der Gutschein war für einen Teller Suppe mit Haferflocken. In der Stadt gab es aber keine Verkehrsmittel, weder Straßenbahn noch Busse. Wir mussten zu Fuß gehen.
  4. Es war im Winter und sehr frostig. Und wir gingen, schätze ich mal, 15 Kilometer, nicht weniger. Den Suppenteller überließ Mama natürlich mir, dem Kind. Sie selbst ging leer aus. Sie flehte noch um etwas (Essen), weil sie keine Kraft mehr für den Rückweg hatte. Und sie bekam noch einen kleinen Teller – so wurde uns geholfen.