Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Ich weiß nicht genau, wann wir nach Zentralasien kamen. Ich glaube, das war bereits im Frühling. Denn der Zug war etwa zwei Monate aus Woronesh nach Zentralasien unterwegs, wenn ich mich nicht irre. Wir wurden nach Andishan transportiert und dort ausgeladen.
  2. Keiner holte uns ab, keiner interessierte sich für die Ankömmlinge und ihr Anliegen. Ganze zwei Tage saßen wir am Bahnhof, bis es klar war, dass wir in die Altstadt geschickt werden. Andishan bestand aus zwei Teilen, der Neustadt und Altstadt.
  3. Wir wollten schnellstens absteigen, um uns auszuruhen, egal wo. Denn alle waren schwach und richtig krank. Außerdem machten meine Mutter und ihre Schwester sich Sorgen wegen der anderen Schwester. Sie war schwanger und ganz kurz vor der Entbindung. Endlich gingen wir in die Altstadt, das waren etwa 45 Minuten bis zu einer Stunde zu Fuß.
  4. Uns allen wurde ein Zimmer in einem Lehmziegelhäuschen zugewiesen. Das Zimmer war wohl etwa 20 (Quadratmeter) groß. Man sagte uns: „Sie werden hier wohnen. Weiter müssen Sie alleine zurechtkommen.“ Die Vertreter der Sowjetbehörden ließen sich bis dahin nicht blicken.
  5. Zwei Tage später kam eine Frau, sie sagte: „Sie werden hier wohnen.“ Das war kein Steinhaus, sondern ein Lehmziegelhaus, wie in Usbekistan üblich. Da verlief eine dicke Mauer, auf Usbekisch heißt sie Duwal. Und wir mussten dort wohnen.
  6. Essen gingen wir in die Neustadt, wo Flüchtlinge ein kostenloses Mittagessen erhielten. Wir nannten es „Satirucha“, manche verballhornten den Namen des Mittagessens.
  7. Mein Onkel und ich gingen in die Neustadt mit einem Emaileimer und holten die „Satirucha“. Sie bestand aus Kleie, etwas Kartoffeln und noch etwas. Nach dem Essen hatten wir solche Bauchschmerzen, dass wir alle 20 Minuten zum stillen Örtchen mussten. Mein Onkel hatte zudem ein Magengeschwür.