Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Meine Tochter wanderte nach Deutschland aus, aus den bekannten Gründen. Während der Perestroika wurde die Finanzierung von Forschungsarbeiten eingestellt, es fehlte an Geldern für Präparate und Werkzeuge. Sie entschied, nach Deutschland zu gehen und schrieb uns Briefe: „Hier ist alles gut. Ihr aber fehlt mir sehr. Ich bitte euch…“ Und ich fasste den Entschluss, nach Deutschland auszuwandern, obwohl mein Sohn da blieb. Er ist halt der Sohn, ein guter Sohn. Ich kann Ihnen zeigen, was aus ihm geworden ist.
  2. In Russland erschienen in den letzten Jahren einige Bände der Jüdischen Enzyklopädie. Da wird beschrieben, wie viele Juden seit dem Altertum in jeder Stadt der ehemaligen Sowjetunion lebten, welche Schulen und religiöse Strömungen es da gab. Mein Sohn ist Wissenschaftler. Er suchte mal etwas im Internet und entdeckte diese Enzyklopädie. Er wurde in Machatschkala geboren, wo ich diente. Er ging also auf die Machatschkala-Seite, wo die Stadt beschrieben wird und was dazu gehört.
  3. Zum Schluss werden zu jeder Stadt Leute genannt, die bedeutsam und erwähnenswert sind. Hier steht: Einer (von ihnen) ist Geologe, Professor und „verdienter Ölfachmann“. Und dann: Grigoriy Yakovlevich Fraykin, geboren 1946. Biologe, Habilitation 1989, seit 1993 Professor an der Moskauer Staatsuniversität, Spezialist auf dem Fachgebiet Biophysik, Autor von über 120 wissenschaftlichen Arbeiten.
  4. Als ich den Entschluss fasste, nach Deutschland zu ziehen, ging ich zum Konsulat und erfuhr, welche Papiere eingereicht werden sollen. Dann reichte ich alle Papiere ein und wartete, bis die Erlaubnis von hier eintraf, nach Deutschland zu kommen.
  5. Wissen Sie, ich hatte keine Befürchtungen deswegen. Ich dachte so, wie es offiziell hieß und propagiert wurde: Der Neonazismus wird verurteilt und gerichtlich bestraft. Ich dachte, jetzt ist das kein besonderes Problem (mehr). Daher kam ich hierher, vor allem aber wegen meiner Tochter. Wäre sie nicht hierher gekommen, wäre ich auch nicht gekommen.