Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Als wir uns noch Gedanken über die Auswanderung nach Deutschland machten… Die Frage „Gehen oder nicht“ stand noch nicht (konkret) im Raum… Wir hatten aber die Papiere schon abgeschickt. (Und) wir hatten viele Zweifel. Die Sache ist die… Ich habe noch nicht davon erzählt, das ist aber interessant.
  2. Als ich 1931 geboren wurde, hielt sich mein Papa in Deutschland auf. Er wurde als Ingenieur zum Praktikum dahin geschickt, für sechs Monate. Er war in Deutschland und kam dann mit großen Koffern zurück, so Dingern aus Holz – wir sind in die Evakuierung mit diesen Koffern gefahren. Und Papa erzählte über Deutschland.
  3. Wir machten uns aber große Sorgen, als 1936/37 die Verhaftungen begannen: „Bestimmt wird Papa abgeholt.“ Dieser Zusammenhang mit seinem Aufenthalt in Deutschland, das drückte den Stempel auf. D.h. es gab einen negativen Eindruck, obwohl Papa zufrieden war, dass er die Reise gemacht hatte.
  4. Das zum ersten. Zweitens gab es den Krieg, und uns Kindern wurde auf der Schule und überall beigebracht: „Das sind Faschisten.“ Die Erziehung war so. Und alle sagten: „Die Deutschen haben sechs Millionen Juden vernichtet.“ Also, diese drei negativen Momente waren vorhanden vor der Auswanderung nach Deutschland.
  5. . Jedoch hatten wir in der Zeit bereits einen Briefwechsel mit den Leuten, die uns den Umschlag (Tipp zur Auswanderung) gegeben hatten. Sie lebten in Dortmund und wir schrieben uns. Sie schilderten uns die Situation in Dortmund. Ich habe mich sogar als Cousin des Freundes in Dortmund ausgegeben – Shenja Punkin, er starb hier bereits.
  6. Und wir verstanden, dass die Umstände da durchaus akzeptabel sind. Wir beschlossen auszuwandern. Wir planten, dass unsere zweite Familie uns folgen sollte. Die Familie des Sohnes war in Israel und die andere Familie in Charkow: „Wir werden da leben und dann Bescheid geben, dass die zweite Familie kommen kann.“
  7. Viele Juden waren der Meinung: „Nein, man darf nicht nach Deutschland, das ist so etwas wie Verrat.“ Wir sind aber ausgewandert und bereuen es nicht. Im Gegenteil: Wir wären schon längst unter der Erde, wenn wir dort geblieben wären.
  8. Und hier leben wir immerhin noch und beziehen eine gute Unterstützung. Und wir können sogar (etwas abgeben). Nicht die Kinder helfen uns, sondern wir ihnen manchmal. Wir sind sehr froh darüber.