Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Nach Cherson zog ich 1986. Ich hatte meinen (jetzigen) Mann getroffen, ein weiteres Opfer der Lyrik. Er war in meinem Konzert gewesen. Mein (damaliger) Mann war beim Militär, sodass ich einen Platz im Militärsanatorium in Truskawez bekam.
  2. Ich hatte Probleme mit meinen Nieren und fuhr öfters dahin. Ich trat da meistens mit Gedichten aus den Kriegsjahren auf. Es war gerade (Krieg in) Afghanistan, darüber wusste ich nicht viel. Ich trat aber so auf, dass der Sanatoriumsdirektor sehr nett zu mir war. Und ich gab jedes Mal ein großes Konzert vor meiner Abreise.
  3. Und mein Mann kam (in das Sanatorium). Seine Tante war während des Krieges Ärztin gewesen. Sie kam aus dem letzten Medizin-Studienjahr in Kiew an die Front, als Chirurgin. Während einer OP gab es einen Volltreffer, der alles zerstörte; sie überlebte aber.
  4. Es herrschte jedoch Frost; als sie gefunden und operiert wurde, wurden ihre Finger- und Zehenglieder amputiert, denn der Wundbrand begann. Als junge Frau mit 22 Jahren wurde sie Invalidin der ersten Gruppe. Sie wurde Neuropathologin und hielt sich jedes Jahr im Sanatorium auf. Sie war die Schwester der Mama (meines Mannes).
  5. 1984 konnten ihre Mama und die Schwester sie nicht begleiten, sodass Sascha dann mitfuhr. Er sah mich an diesem (Konzert-)Abend. Als wir am nächsten Tag ein Gruppenfoto machten, kam er auf mich zu und sagte: „Erlauben Sie mir, zu Ihren Füßen fotografiert zu werden.“
  6. Seit diesen Worten „zu Ihren Füßen“, seit diesem Tag kennen wir uns. Wir schrieben uns zwei Jahre, ich ließ mich von meinem Mann scheiden und kam nach Cherson.