Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Im Allgemeinen mussten wir sehr hungern. Es gab nichts zu essen. Ich weiß nicht, ob es angebracht ist, dies zu erzählen: Ich sah, wie die Menschen in Exkrementen nach Maiskörnern suchten und sie aßen.
  2. Unsere Tante Gissja starb an Hunger. Wir schliefen alle zusammen auf einem flachen Podest, das war dort ein Bett. Und erst am Morgen bemerkten wir, dass sie schon tot war.
  3. Ich ging dann zur Kolchosverwaltung, um ein Begräbnis zu organisieren. Sie gaben mir einige Bretter, ich musste den Sarg selbst anfertigen. Ich konnte aber nicht einmal einen Hammer heben, ich litt an Dystrophie. Ich konnte aber nicht einmal einen Hammer heben, ich litt an Dystrophie. Sie war auch an Dystrophie gestorben. Ich machte den Sarg, man half mir, (den Sarg) auf den Pferdewagen zu stellen. Ich bekam noch eine Spitzhacke und einen Spaten.
  4. Wir fuhren zum muslimischen Friedhof, damals war es egal. Ich konnte nur ein flaches Grab in die gefrorene Erde hacken, nur um den Sarg mit Erde zu bedecken. Auf dem Weg zum Friedhof hielten wir uns am Pferdewagen fest, weil wir selbst kaum gehen konnten.
  5. Und wir dachten damals: Wer hat es besser? Die Verstorbene oder wir, die leben? Danach beschäftigte ich mich mit dem Garten, wir hatten dann Hirse. Binnen eines Jahres lernte ich dort, Landwirtschaft zu betreiben. Das hat uns gerettet.
  6. Wir bekamen täglich 200 Gramm Brot auf Brotkarten. Einmal stand ich in der Warteschlange. Da waren auch zwei Schwestern aus Charkow, sie waren Lehrerinnen. Sie sagten zu mir: „Isenka, der Krieg geht irgendwann zu Ende.
  7. Du musst dich bilden, etwas lernen.“ Ich antwortete: „Ich kann nicht, ich muss die Familie ernähren.“ Sie meinten, dass ich wenigstens einmal wöchentlich zur Schule gehen oder die Prüfungen extern machen sollte. So ging ich zur Schule und schloss in nur einem Jahr die vierte und fünfte Klasse ab.
  8. Gleichzeitig arbeitete ich im Kolchos. Ich war Traktorfahrer, meine Beine waren aber zu kurz. So wurde alles umgebaut, damit ich die Pedale erreichen konnte. Da waren nur zwei Männer: ich und der Vorarbeiter. Ihm fehlte ein Bein, er kam so von der Front zurück. Alle anderen waren Frauen.
  9. Wenn der Traktormotor aussetzte, konnte ich ihn nicht mehr starten, es gab ja keine Motorstarter wie heute. Eine kräftige Frau kam dann zum Traktor, sie half mit. Später führte ich das Buch der Traktorenbrigade, ich tat mich hervor.