Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Mein Vater kam auf das Forschungsinstitut für Haut-, Geschlechts- und urologische Erkrankungen in Moskau. In dem Institut arbeitete er 46 Jahre, bis zu seinem Tod. Er wurde ein bekannter Professor und schrieb Bücher. Er interessierte sich für Sexualwissenschaft, er war einer der ersten sowjetischen Sexualforscher. Nicht nur weil er mein Vater war, kann ich behaupten, dass die Entwicklung der Sexualforschung nach Stalins Tod (durch ihn)… Unter Stalin war sie gänzlich verboten.
  2. Es begann damit, dass mein Vater einen Artikel für „Die medizinische Zeitung“ schrieb, was ihm später auch Ärger bereitete. Es hieß, Geschlechtskrankheiten seien für die sowjetische Gesellschaft untypisch. Und er widmete sein ganzes Leben nur der Arbeit. Seine letzten 20 Jahre waren vom sich zuspitzenden Antisemitismus in der Leitung der medizinischen Forschung überschattet.
  3. Vor dem Krieg spürte er keinen Antisemitismus, obwohl ich denke, dass es ihn gab. Den Nachkriegsantisemitismus spürte er sehr krass, dazu kam die Situation in seinem Institut. Er ist Verfasser des Buches „Geschlechtsleiden bei Männern“, das war ein Standardwerk für Ärzte. Weil das Interview in Deutschland stattfindet, ist interessant, dass er Jahre lang mit Deutschland zusammenarbeitete.
  4. Z.B. hatten wir alle Hefte der „Zeitschrift für Urologie“ zu Hause. Als ich hierher kam, sah ich die Bibliografie der Fachzeitschriften in der Uni-Bibliothek. Ein bekannter Philologe bat mich, zwei Artikel zu finden. Und bei der Suche entdeckte ich überraschend zwei Artikel meines Vaters, die noch in den 1920er-Jahren in Deutschland veröffentlicht worden waren. Meine Mutter war praktizierende Ärztin und arbeitete fast bis zum 70. Lebensjahr in einer Poliklinik.