Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. In Moskau wurde es schwer. Einen Monat nach Kriegsausbruch begannen die Luftangriffe. Unsere Hausverwaltung bekam aus irgendeinem Grund die Anordnung, die Kinder aus Moskau zu verschicken. Meine Mutter beschloss, mit mir zu ihrer Mutter zu fahren.
  2. Wir fuhren nach Nowosibirsk. Der Vater blieb da bis zum berühmten Oktober, als man dachte: „Die Deutschen können gleich in Moskau einmarschieren.“ Er verließ Moskau zu Fuß und fuhr per Anhalter. Sein Institut brach nach Taschkent auf, allerdings nicht für lange. Die Mutter und ich waren in Nowosibirsk.
  3. Es war eine schwere Zeit, als der Hunger herrschte. Z.B. bekamen wir in der Schule statt Essen eine Hand voll Zedernkerne. Es gab wirklich nichts zu essen. Mit einer Karte bekam man etwas gesalzenen Fisch, es war also schwer. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar: Unter solchen Bedingungen gab meine Mutter ihr armseliges Geld für mein Konzertabo aus. In Nowosibirsk befand sich die evakuierte Leningrader Philharmonie.
  4. Meine Mutter kaufte mir ein Abonnement für die Sonntagmorgen-Konzerte. Ich lernte die Musik kennen und lieben, für mein ganzes Leben. Es war das Orchester von Mrawinskij und Kurt Sanderling; Selertinskij hielt tagsüber für die Schüler Vorlesungen. Und das war ein großes Glück.
  5. Später fuhren wir zum Vater nach Taschkent; dort herrschte schlimmer Hunger und die Bedingungen waren ganz schlecht. Wir elf Leute wohnten da in zwei kleinen Zimmern, drei davon starben in dieser Zeit. Mein Vater wurde bereits nach Moskau beordert, weil das Institut zurückkehrte. 1943, nach ca. zwei Jahren Evakuierung, kehrten wir nach Moskau zurück.