Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Nach dem Studium musste man eine Arbeit suchen. Stellenzuweisungen gab es schon, sie waren aber irgendwie nicht ernst gemeint. Ich will nicht darüber reden, es war Unsinn. Kurz gesagt, als ich fragte, wo soll ich hin, sagte man zu mir: „Suchen Sie selbst eine Arbeit.“
  2. Ich war im Ministerium, und ein Beamter – ein schlauer Kerl – sagte: „Was wollen Sie denn, Sie haben es bestens. Die anderen werden zur Arbeit verpflichtet und wollen nicht einmal zwei Jahre abarbeiten. Finden Sie (selbst) eine Arbeit, dann schicken wir Sie dahin.“ Es war aber schwer, eine Arbeit zu finden. Es war 1950, der fünfte Punkt war schon sehr wichtig.
  3. Ich nenne nur ein Beispiel. Ein guter Freund und Kommilitone von mir war Soldat im Finnischen und Vaterländischen Krieg gewesen. Er wurde verwundet und hatte sämtliche Orden. Er hatte eine Parteiorganisation geleitet, also gesellschaftliche Arbeit geleistet. Und er war auch ohne Arbeit.
  4. Als gesellschaftlich wichtige Person wurde er dann zur Arbeit ins Museum der sowjetischen Armee geschickt. Er bekam dort aber eine Absage, es hieß: „Die Stelle ist schon vergeben“ – er war ja Jude. Er wollte das prüfen, und (sagte es) einer Bekannten von ihm, einer russischen Abiturientin… – es ging ja um das Museum der sowjetischen Armee, er war als Frontsoldat dahin, ausgezeichnet mit dem Orden des Roten Banners…
  5. Er sagte (also) zu ihr: „Versuch es, ob sie dich einstellen.“ Einige Tage später saß sie schon (auf der Arbeit) unter dem Pferd von Woroschilow, das Mauser hieß. Sie verbrachte dann mehrere Jahre unter diesem Pferd. Im Endergebnis kam ich statt zu einer Redaktion zur Armee und leistete den Militärdienst ab… Mein Vater nahm das übrigens positiv auf, seltsamerweise.
  6. Er sagte: „Alle leisten den Militärdienst, tu es auch.“ Mutter tat es leid, sie meinte: „Verlorene Zeit.“ Aber wissen Sie, das war keine verlorene Zeit. Für mich war das eine hervorragende Schule: Ich hatte so einen Kontakt zu Menschen und lernte das Leben kennen, das mir früher fremd war. Ich lerne sowieso mein Leben lang, ich liebe es. An die Armee denke ich mit Dankbarkeit zurück, obwohl ich es dort ziemlich schwer hatte.