Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Nach dem Krieg hatte das Manuskript eine eigene Geschichte, es wurde nicht gleich gefunden. (Anna) Schimaite wanderte aus und teilte dann mit, wo das Manuskript ist. Es kam dann in das gleich (nach der Befreiung) gegründete Jüdische Museum. Das Museum existierte aber nur kurz und wurde zu Beginn der Friedenszeit aufgelöst. Die Dokumente des Museums wurden woandershin ausgelagert.
  2. Außerdem gab es einen Befehl – Widerspruch nutzte nichts –: Dutzende Tonnen von Dokumenten aus dem befreiten Wilna und Lettland wurden in die Papierfabrik geliefert und schlichtweg vernichtet. Wo das Manuskript steckte, war ungewiss. Seine (meines Onkels) Tochter kehrte nach Wilna zurück, sie hatte einen Mann geheiratet, der genauso wie sie den Krieg überlebt hatte.
  3. Sie erfuhr, dass das Manuskript ihres Vaters nicht verloren gegangen war und sich im damaligen Revolutionsmuseum befand. Heute befindet es sich im wieder eröffneten Jüdischen Museum in Wilna. Meine Schwester verließ in den 1950er-Jahren Wilna, als ehemalige polnische Bürger auswandern durften.
  4. Mit großen Schwierigkeiten gelang es ihr, eine illegale Schreibmaschinen-Kopie des väterlichen Manuskriptes zu bekommen. Ihr half wohl eine Frau, die in dem Museum arbeitete… Die Frau arbeitete da und tippte während der Arbeitszeit das Manuskript ab. Und die Kopie auf dünnem Papier – er (mein Onkel) hatte auf Russisch geschrieben -, nahm meine Schwester mit.
  5. 1989, gleich nach der Wiederaufnahme der Beziehungen zu Israel… Meine Schwester und ich waren fast 30 Jahre voneinander getrennt, 1989 fuhr ich zu ihr nach Israel. Ich las zum ersten Mal dieses Manuskript und begriff, dass es irgendwie herausgegeben werden sollte. Dafür war sehr viel Arbeit nötig.
  6. Ich machte eine Kopie von ihrer Kopie. Die Kopie war ziemlich schlecht, aber ich hatte sie immerhin. Es gab zwei Möglichkeiten… Eine wissenschaftliche Ausgabe hätte keinen Sinn gehabt, wie hätte man sie kommentieren können? Außerdem musste der Text unbedingt redigiert werden. Eine wissenschaftliche Ausgabe hätte niemanden interessiert.
  7. Daher entschied ich mich für eine Ausgabe, die die Leute lesen können. Mit Einverständnis meiner Schwester, die über das Ganze verfügte, habe ich das komplette Manuskript, alle Hefte und Zettel (durchgearbeitet). Zum Glück habe ich viel Erfahrung mit Manuskripten und der Archivarbeit. Ich ordnete alles chronologisch und bearbeitete die Chronik als chronologisches Dokument.
  8. Wunder gibt es immer wieder… Nach der Absprache mit meiner Schwester versuchte ich es (das Manuskript) einfach zu verlegen. Wir wollten nichts dafür. Wir konnten aber keinen Verleger finden. Dann tauchte wie durch ein Wunder ein holländischer Verleger auf. Zuerst erschien das Buch in niederländischer Übersetzung. Der Deutsche Taschenbuchverlag nahm es wahr und das Buch wurde sofort ins Deutsche übersetzt. Heute gibt es das Buch in sechs Sprachen.