Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Mein zweites Buch hier (in Deutschland) handelt von Erwin Planck. Wissen Sie, genauso wie das (erste) Buch war dieses Buch eine Pflicht für mich. Im ersten Fall war ich meiner Vergangenheit und meiner ermordeten Familie verpflichtet, es waren über 50 Leute.
  2. Und mit diesem (zweiten) Buch war ich denen in Deutschland verpflichtet, die… Ich will jetzt nicht pathetisch werden. Aber sie haben mir ein neues Deutschland gezeigt und ich habe ein neues Leben für mich entdeckt.
  3. Ich wohne jetzt im Haus meiner besten Freundin, Dr. Elisabeth zu Salm-Salm. Wir lernten uns noch vor unserer Einwanderung kennen. Sie besuchte uns in Moskau und wir waren zwei Mal bei ihr. Sie wollte unbedingt, dass wir kommen und wartete auf uns.
  4. Diese Frau stammt aus dem Adelsgeschlecht der Prinzen zu Salm-Salm. Sie führte stets ein demokratisches Leben, war Ärztin. Sie kam aus guter Familie, verzichtete aber auf jegliche Adelsprivilegien. Sie erzählte mir oft, sie habe in ihrer Jugend die Familie von Max Planck kennengelernt. Dabei habe sie entdeckt, dass es auch andere Adlige gibt.
  5. Sie war mit Erwin Planck und seiner Frau eng befreundet. Sie kam in ihr Haus am Tag nach der Verhaftung Erwin Plancks. Den ganzen Krieg verbrachte sie als noch sehr junge Frau in Berlin. Heute ist sie ein sehr alter Mensch. Damals war sie sehr jung und arbeitete in Berliner Lazaretten, ohne ihre Ausbildung abzuschließen.
  6. Erwin ist bis heute der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Sie hat damals beinahe in (seinem) Haus gewohnt. Nach seiner Hinrichtung blieb sie bei seiner Witwe Nelly Planck, und sie wohnten bis zu Nellys Tod zusammen. Nach deren Tod lebte sie (Elisabeth) alleine und führte ein einsames Leben. Heute wohnen wir mit ihr zusammen in diesem Haus.
  7. Ich entdeckte die Dokumente zur Biografie von Erwin Planck, das ganze Archiv befand sich noch in diesem Haus. Erst später kam es nach Berlin. Frau Pufendorf, die das große Buch „Die Plancks“ geschrieben hat, arbeitete bereits in Berlin, obwohl sie auch hierher kam.
  8. Für mich war das (Schreiben über Planck) eine Neuentdeckung von Deutschland. Durch diese Arbeit lernte ich die Bücher von solchen Leuten wie Fritz Stern oder Sebastian Haffner kennen. Ich beschäftigte mich nun richtig mit der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts.
  9. So entdeckte ich eine neue Welt und ein neues Land für mich. Dies korrespondierte in gewisser Weise mit den Erzählungen meines Vaters, der schon deutschfreundlich eingestellt war. Für mich war es ein Glück, diese Biografie zu schreiben.
  10. Und ich bin sehr glücklich, dass die erste Biografie über den hingerichteten Erwin Planck auf Russisch erschienen ist. Denn noch bevor wir das Buch, das Frau zu Salm-Salm privat finanzierte, herausgaben, habe ich die ganze Biografie in der russischen Fachzeitschrift „Tschelowek“ veröffentlicht. Also: Die erste Biografie über Erwin Planck erschien auf Russisch.