Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Als Erster wanderte mein Sohn (Igor) mit seiner Familie nach Israel aus. Danach kam meine Tochter hierher. Ihr Diplom wurde anerkannt, sie hat hier alle Prüfungen abgelegt. Deutsch kann sie brillant und kennt alle Termini und Rezepturen. Sie sucht eine Praxis in Köln, möchte eine eigene Praxis eröffnen.
  2. Sie war dort (in Turkmenistan) eine gute Ärztin und musste hier alles anerkennen lassen und Computer lernen. Denn die Medizin hier und in Aschchabad, aber auch in Moskau… Ich war den ganzen Monat dort, da arbeiten meine Freunde. Also: kein Vergleich.
  3. Wenn sie selbst krank werden, fahren sie zur Behandlung nach Deutschland. Oder um operiert zu werden. Weil die Technologien fehlen, die sind teuer. Sie sind wunderbare Spezialisten (dort), aber es fehlt die High Tech, die Deutschland hat.
  4. Vor der Auswanderung war ich leitender Spezialist für besonders gefährliche Seuchen: Pest, Cholera, Milzbrand, AIDS u.a. Ich war auch der erste Spezialist am Gesundheitsministerium der Turkmenischen SSR, danach Turkmenistans. Ich fuhr auch in die Seuchengebiete nach Usbekistan und Kasachstan, z.B. ins Gebiet Buchara, als Pest-Spezialist.
  5. Ich arbeitete bis zwei Wochen vor der Ausreise. Ich hatte schon die Einreisegenehmigung. Sie wollten mich aber nicht gehen lassen, und ich hörte mit der Arbeit zwei Wochen vor der Ausreise auf… Das war Ende Juni/Anfang Juli 2000. Wie schon gesagt, wir wohnten (erst) in einem Holzhaus bei der Peststation.
  6. Und die letzten 20 Jahre wohnten wir im Zentrum. Ich hatte als Professor – meine Frau war auch Lehrstuhlleiterin – eine schicke Wohnung bekommen. Eine große Wohnung im Zentrum. Da war dann die Frage: Was machen wir mit der? Ich wollte, dass diese Wohnung an einen guten Menschen übergeht. Zusammen mit meiner Frau arbeitete der Dozent Nasar Essenow.
  7. Meine Frau war auch Dozentin, es waren drei Dozenten. Nasar Essenow sagte zu mir: „Yevgeniy Owssejewitsch, meine Tochter braucht eine Wohnung.“ Die Wohnung hatte warmes Wasser, eine große Veranda usf. Ich entschied, sie für einen lächerlichen Preis an jemanden aus unserem Kreis abzugeben. Außerdem ließ ich die ganze Einrichtung zurück, alles ist dort geblieben.
  8. Ich kam (nur) mit einem Koffer (hierher), weil ich dachte, dass ich bei meiner Tochter wohnen werde. Ich fragte: „Was soll ich mitbringen?“ – „Komm gesund an.“ Ich kam mit einem Koffer, hatte (gerade) einen Löffel und eine Gabel dabei, denn sie (die Tochter und ihr Mann) lebten schon seit vier Jahren hier.
  9. Mein Schwiegersohn verdiente gut als Computerfachmann. Warum sollte ich also etwas mitnehmen? Sogar die Fotos nahm ich nicht mit, weiß nicht warum. Nur zwei Fotoalben, nur das Minimum. Selbst das hätte ich da lassen können. Es kam dann so, dass wir getrennt (wohnten). Ich bin aber froh, dass sie in meiner Nähe sind. Wir wohnen getrennt, besuchen uns (aber) gegenseitig.
  10. Ich war anfangs im Lager. Wie heißt es noch? Das ist hier, für alle Einwanderer in diesem Bundesland. Unna-Massen, ja. Ich war drei Monate da, sie (Tochter und Schwiegersohn) besuchten mich. Ich bekam Termine und Borja, der Deutsch kann, füllte die Papiere aus.
  11. Er zeigte mir, wo ich einkaufen und essen kann, machte mich mit allem vertraut. Dann kamen wir hierher, ich wohnte im Heim, nur drei Wochen. Meine Tochter arbeitete damals nicht, sie fand diese Wohnung, nah, für eine Person, eine gute Wohnung. Ich wohne hier seit 2000.
  12. Sie machte alle Amtsgänge, auch zum Sozialamt und erledigte alles. Also: Ich hatte es (leicht). Auch als ich noch im Heim wohnte… Sie machte alles, sie konnte Deutsch, noch nicht so gut wie heute, aber gut genug. So kam ich hierher.