Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Ja, ich habe noch etwas vergessen… Ich studierte bei Professor Gukowskij: Kultur, Probleme der Literatur usw. 1949 erfuhr ich plötzlich, dass er und sein Bruder verhaftet waren. Er wurde im Zuge der „Leningrader Affäre“ verurteilt. Sein Bruder starb kurz danach im Gefängnis, Matvei Gukowskij wurde nach Sibirien verbannt, in ein Lager.
  2. Ich hatte ein Problem: Kann ich das Thema behalten, das ich unter seiner Leitung ausgesucht hatte? Denn das Thema brachte mich in Verbindung mit ihm. Damals hatte ich schon ein sehr gutes Verhältnis zur Professorin Alexandra Ljublinskaja. Ich Dummkopf wollte bei ihr Rat einholen und sie riet mir, das Thema zu wechseln.
  3. Ich arbeitete schon an der Einleitung meiner Dissertation. Sie sagte: „Erweitern Sie das Thema der Einleitung.“ Ich tat es, sie unterstützte mich natürlich mit freundlichen Ratschlägen. 1959 verteidigte ich die Dissertation und 1974 habilitierte ich.
  4. Allerdings bekam ich meinen Titel nicht gleich anerkannt, es zog sich in die Länge. Aber Sie wissen ja, was für eine Zeit das war. Damals hatten es die Juden sehr schwer. Wie seltsam das auch vorkommen mag, auf mich traf das nicht zu. Ich hatte wieder Glück. Und das obwohl viele Bekannte furchtbar litten, sie konnten keine Arbeit finden.
  5. Die anderen spürten den Antisemitismus, ich nicht. Noch ein Beispiel, das war bereits 1974. Ich hatte gerade habilitiert, und mein alter Vater, der über 80 war, fuhr nach Leningrad mit, um bei der Verteidigung anwesend zu sein. Er hatte da einen Hirnschlag und kam ins Krankenhaus.
  6. Ich konnte natürlich nicht zurückkehren und rief den Prorektor an, um zu sagen, dass ich später komme und zwei Wochen Urlaub beantrage. Er sagte: „Wozu denn Urlaub, bleiben Sie ruhig da.“ So, als ob ich arbeiten würde. Ich erzähle davon, um zu betonen, wie das Verhältnis zu mir war, obwohl ich Jüdin bin.