Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Wissen Sie, wir wurden als Europäer erzogen. Ich fühle mich nicht als Jüdin aufgrund der Religion. Ich wusste nie etwas über die Religion… Aber es passierten verschiedene Dinge. Einmal kam meine Tochter aus dem Kindergarten und fragte: „Mama, wer bin ich?“ Ich begriff gleich, was sie meint. Im Kindergarten wurde nach der Nationalität gefragt. Sie sagte mir: „Ich will nicht Jüdin sein.“
  2. Es gab noch einen Vorfall in einem Linienbus in Charkow: Mein Mädchen war groß, deswegen setzten wir uns nicht. Sie machte sogar im Zug immer den Platz für andere frei. Wir standen in einer Ecke und (auf einmal):“Gehen Sie weg!“ Ich schirmte das Kind ab, da waren viele Leute und es war eng. Eine Frau sagte dann: „Raus! Verfluchte Juden!“
  3. Ich sagte laut, für den ganzen Bus hörbar: „Olja, hör zu! Wenn eine nichts zu sagen hat, sagt sie, du bist Jüdin. Und wer sind die Juden? Sie sind genauso wie die Usbeken, Tataren, Russen und alle anderen.“ In diesem Moment fiel der ganze Bus über diese Frau her: „Was wollen Sie von der Frau? Sie steht ja, sie sitzt nicht.“ Wissen Sie, man muss immer ehrlich antworten.
  4. Ich log nie und behauptete, ich sei keine Jüdin. Obwohl das ein Makel war… Ich fühlte mich aber nicht so, ich betete nicht. Ich fühle mich einfach nur wie eine moderne Europäerin. Manchmal gehe ich in die Synagoge, aber um Kontakte zu pflegen. Ich habe eine Gedenktafel mit Lichtern für meinen Mann in der Synagoge anbringen lassen. Er wurde auch auf dem jüdischen Friedhof begraben. Vielleicht werden jetzt auch wirklich religiöse Juden herangezogen. Unsere Generation fiel jedoch aus der Reihe.