Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Ich wurde zur Ausbildung zu einem Kunsttischler geschickt. Nach der Ausbildung arbeitete ich in dem Waggonreparaturwerk in Shmerinka. Da gab es einen ukrainischen Spruch: „Wer kein Glück im Leben hat, kommt ins Werk in Shmerinka.“ Ihr versteht, was das für ein Laden war, die Personalfluktuation war da sehr hoch. Wir wurden in der Montagehalle eingesetzt. Vergessen Sie nicht, das war in der Stalin-Zeit.
  2. Das war in der Stalinzeit, als man keinen Laut von sich geben durfte. Und wir Jungs… Wie alt ich damals war? Ich begann die Ausbildung wohl mit 15. Nach dem Abschluss war ich 17, noch minderjährig. Wir gingen zum leitenden Ingenieur und klagten: „Warum müssen wir die Muttern und Verkleidung vom Wagen abschlagen?
  3. Wir sind doch Fachleute, warum schickt ihr uns nicht in die Holzverarbeitung? Wir sind ja ausgebildete Kunsttischler. Wir haben auch gelernt, Holz an der Maschine zu bearbeiten.“ Wir schnitzten Holz, wir machten Möbel, und nicht einfache Hocker, sondern Stühle, Tische, Schränke, das alles konnten wir. Wir hatten natürlich noch keine Erfahrungen, grundsätzlich haben wir das aber alles gelernt.
  4. Und er (der Ingenieur) entschied, dass wir zur Holzverarbeitung versetzt werden. Wir hatten unser Ziel erreicht. Das war unter Stalin, wo alle Angst hatten, auch nur einen Laut von sich zu geben. Wir setzten uns durch, was uns und alle anderen verwunderte.
  5. Ich arbeitete dann in einer Brigade für die Ausstattung von Geschäften. Also, ich arbeitete und wohnte in unserem Haus. Ich vermietete einen Teil an eine Frau mit Kind. Der Kenes wohnte auch da.
  6. Sie zahlten mir Groschen dafür. Dann zog die Frau aus, nur der alter Mann blieb noch da. Ich kam irgendwie zurecht und arbeitete. Unsere Arbeit war aber – mein Gott… Heute wird gestreikt, auch für eine Stunde. Wir arbeiteten so: Zwei Wochen taten wir nichts, zwei Wochen Akkordarbeit. Wir blieben tagelang im Werk.
  7. Als ich bereits arbeitete, kam überraschend mein Bruder Mitja zu mir. Ich fragte: „Was ist los? Warum hast du die Schwester alleine gelassen?“ – „Ich werde dort als 'Shid' gehänselt.“ – Ich sagte: „Dann gib ihnen eins auf die Fresse! Wieso bist du da weggelaufen? Du bist doch ein Mann, wehre dich! Ich kann nicht mitkommen, ich muss arbeiten.“
  8. Damals hatten wir keine zwei freien Tage. Nur ein Tag war frei, freie Zeit sehr knapp. Und wir arbeiteten so: Wenn der Meister sagt, du musst bis 22 Uhr arbeiten, dann tust du das und es gab keine Streiks.