Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. 1951 wurde ich in die Armee einberufen, im Oktober. Ein oder zwei Monate vorher, im Juli oder August, erhielt ich ein Schreiben: „Wir werden Ihr Haus abreißen und Werkstätten an seiner Stelle bauen.“
  2. Also, wir verloren unser Haus und erhielten dafür nur einige Groschen. Vor meiner Einberufung wohnte mein Bruder bei mir, ich wusste sonst nicht, wohin mit ihm. In Winniza wohnte unsere Tante Rosa, ein wunderbarer Mensch, einfach eine Heilige. Sie lebte mit ihrer Familie in Winniza, und sie hatten einen Wasseranschluss in der Küche.
  3. Aber Abwasser und Toilette waren im Hof. Die Küche war etwa sechs Meter lang und zwei Meter breit, das Zimmer nebenan etwas größer. Da wohnten sie, ihr Mann und die zwei Kinder. Ich kam zu ihr 1951 – „Tante Rosa…“ Sie nahm mich immer auf wie die eigene Mutter.
  4. Und ich sagte: „Ich weiß nicht, wohin mit Mitja. Ich überantworte euch die Rente vom Vater, 187 Rubel.“ Das Geld für das Haus, die 15.000, teilte ich unter uns dreien auf: 5.000 für ihn, 5.000 auf mein Sparbuch und 5.000 für Shenja im Waisenhaus. Also: Ihr bekommt 5.000.“
  5. Faina gab ich kein Geld, weil sie versorgt war. Ich fragte dann: „Ist das richtig so? Seid ihr einverstanden?“ – „Wohin denn sonst mit ihm. In Ordnung. Wo zwei sind, können auch drei sein.“ Stellt euch vor, was für eine Frau. Sie nahm ihn (Mitja) auf.
  6. Mein Bruder wohnte bei ihr (Tante Rosa) so um die drei Jahre. Er schloss dort die 7. Klasse ab. Nach meiner Rückkehr aus der Armee war er schon in Dnepropetrowsk, wo die andere Tante, Betja, wohnte. Sie hatte auch eine Einzimmerwohnung, 18 oder 20 Quadratmeter, und ebenfalls zwei Kinder. Sie wollte ihn aber nicht aufnehmen. Er wohnte im Wohnheim und studierte Walztechnik im Industrie-Technikum.
  7. Er arbeitete die ganze Zeit im Walzwerk. Später, als die Deutschen den Verkauf der Großröhren für Gas an die Sowjetunion gestoppt hatten, wurde er nach Charzysk versetzt und machte eine Ausbildung als Schweißer. Er arbeitete beim Nahtschweißen in Nowomoskowsk.
  8. Ich schaute einmal in der Nahtschweißerei vorbei, da war eine kleine Brücke. Der Hammer war größer als sein Kopf… Und er schweißte (die Nähte), war wie der Teufel in der Hölle. Ich sagte: „Wenn ich eine Million täglich bekommen würde, wäre ich nicht bereit, (so zu arbeiten).“ Und er arbeitete da. Er war ein überzeugtes Parteimitglied. Ich blieb mein Leben lang parteilos.
  9. Denn ich begriff bereits während der „Ärzteverschwörung“, dass da etwas nicht stimmt. Juden können nicht Mörder sein, das ist Quatsch. Das ist eine Verleumdung, der Teufel weiß, was das heißen soll. Ich war absolut sicher, dass das nicht stimmt. Später wurde klar, dass nichts davon wahr war. Die Leute hatte man aber schon 'rausgeworfen und zwar schuldlos. So ging es auch weiter, wir leiden das ganze Leben lang.