Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Am zweiten Kriegstag wurde mein Onkel mobilisiert. Er kam zu einem Baubataillon, das Straßen baute: das 28. Eisenbahnbau-Sonderbataillon, so war die Bezeichnung. Sein Posten war Sekretär der Komsomolgruppe. Das Bataillon war in einem Städtchen außerhalb von Odessa stationiert.
  2. Mir blieb etwas in Erinnerung, ich weiß nicht warum: Das war der Moment, als mein bereits mobilisierter Onkel zu meiner Mutter nach Hause kam und seine Pistole zerlegte und reinigte. Das bleibt mir bis heute in Erinnerung.
  3. Als die Luftangriffe einsetzten... Circa einen Monat nach Kriegsbeginn wurde Odessa bombardiert. Wir lebten einige Tage mit den Luftangriffen... Gebombt wurde in der Regel nachts… Jeder hatte seine alltäglichen Sorgen.
  4. Ich weiß noch, es war schon die dunkle Tageszeit, als meine Mutter einmal mit uns beiden… Sie ließ uns nie alleine, wenn sie das Haus verließ, sie nahm uns immer mit. Also, wir hörten den Alarm und versteckten uns unter Torbögen, da warteten die Leute, bis der Luftangriff zu Ende war.
  5. Ich guckte natürlich heraus, beobachtete den Himmel und sah Aufblitzen, Suchscheinwerfer, sogar ein Flugzeug, im Licht der Suchscheinwerfer eingefangen. Da die Luftangriffe immer öfter kamen, holte der Onkel seine Schwester zu sich und meldete sie als Unterhaltsperson an, weil der Vater immer noch nicht da war – sein Schicksal war ungewiss.
  6. Die deutschen Truppen besetzten Weißrussland sehr schnell, und es war möglich, dass er noch auf dem Besatzungsgebiet war. Der Onkel überredete seine Schwester, die Wohnung zu verlassen und in das Städtchen (außerhalb Odessas) zu gehen, wo es mehr oder weniger ruhig war.
  7. Ich erwähnte noch nicht, dass unser Vater nicht bei uns war. Er war mit einem Versorgungsauftrag nach Weißrussland in die angeschlossenen Gebiete gefahren. Viele Einkäufer reisten damals dahin, weil sowjetisches Geld da von hohem Wert war. So konnte man Rohstoffe sehr günstig einkaufen. Materialeinkäufer reisten in die neuen Gebiete, auch nach Bessarabien in die Nähe von Odessa. Deswegen war meine Mutter bei Kriegsausbruch alleine mit zwei Kindern.