Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Mitte Juli bewegten sich die deutschen Truppen bereits durch die Ukraine. Sie näherten sich Odessa. Die rückwärtige Truppe, bei der mein Onkel diente, wurde in eine Kampfeinheit umgewandelt und sollte an die Front. Die Familienangehörigen der Offiziere wurden benachrichtigt, dass sie evakuiert werden. Das genaue Datum wusste keiner.
  2. Daher war meine Mutter überrascht, als zwei offene Lkws vorfuhren und wir packen und einsteigen mussten. Sie konnte nicht einmal von ihrem Bruder Abschied nehmen. Sie schaffte es nicht, (genügend) Proviant für den Weg mitzunehmen. Da war ein Kissenbezug, meine Mutter kaufte ihn wohl auf die Schnelle im Kiosk. Der Bezug war mit Keksen gefüllt, und so brachen wir auf.
  3. Ich weiß nicht, warum diese Lkws Richtung Dnepropetrowsk fuhren. Wahrscheinlich fuhr in Odessa kein Zug mehr, und der nächste größere Bahnhof war in Dnepropetrowsk, 500 km entfernt. In jedem Lkw waren zwei Fahrer und sie fuhren ohne Halt zu machen auf den staubigen Straßen. Die Tarnung waren Zweige, festgesteckt an den Bordwänden.
  4. Darauf waren nur Frauen und Kinder, sie mussten den Himmel beobachten, denn die Gefahr war groß, dass deutsche Flugzeuge erscheinen und uns bombardieren. Es kam vor, dass wir Flugzeuge bemerkten und die Lkws am Straßenrand hielten. Gab es ein Versteck, einen kleinen Wald, dann versteckten wir uns da. Sonst krochen wir unter den Lkw. Aber Gott sei Dank wurden unsere Lkws nicht bombardiert, und eines Tages kamen wir nach Dnepropetrowsk.
  5. Ich habe vergessen, noch von einem Ereignis während der Fahrt zu erzählen. Mitten in der Nacht, wohl bei Dnepropetrowsk, fuhren unsere Lkws aus dem Wald heraus und kamen an den Rand eines großen Geländes, wo gekämpft wurde. Wir versteckten uns sofort unter den Lkws. Das Aufblitzen am Himmel und auf der Erde war ganz klar zu sehen, man konnte sogar Splitter einschlagen hören.
  6. Ein Fahrer wurde durch einen Splitter getötet, der Splitter traf ihn am Rücken und er war gleich tot. Wir hatten wieder Glück: Aus dem Wald kam wohl der Kommandeur heraus, er sprach mit den Fahrern. Ich konnte das unter dem Lkw liegend sehen. Er zeigte, wohin wir uns bewegen sollten. Mitten in diesem Donnern und Aufblitzen stiegen wir in die Lkws ein und fuhren in die vorgezeigte Richtung.