Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Wir hatten eine schreckliche Angst vor den deutschen und rumänischen Soldaten. Denn sie konnten einfach so schießen, wenn sie das nur wollten. Wir hatten Angst. Doch wir erlebten auch gute Momente. In Slobodka, noch bevor wir den Häusern zugeordnet wurden, hatte man uns in eine kleine Hütte getrieben. Wir saßen und warteten eine Weile dort. Da war auch ein rumänischer Soldat, er hatte so etwas wie Urlaub.
  2. Im Hof gab es noch einen Flügel, wo die Kinder untergebracht waren. Sie waren alleine und kamen deshalb in diesen Raum. Die Kinder starben dort, sie bekamen nichts zu essen. Sie überlebten es nicht. Durch das Fenster sahen wir Lkws kommen, und die kleinen Leichen wurden hinausgetragen und aufgeladen.
  3. Das war ein schreckliches Bild. Plötzlich sahen wir einige Deutsche in den Hof kommen. Sie prüften, ob „Shidy“ da sind. Der Rumäne sah das und begriff, warum wir angespannt waren. Er ging hinaus, zündete sich eine an und stand abwartend da. Als die Deutschen sich dem Häuschen näherten, sprach er sie an. Sie fragten ihn: „Wer ist da?“ Er entgegnete: „Keiner außer meiner Hauswirtin und mir.“ Sie fragten nach, er zeigte: „Keiner da.“ Sie gingen.
  4. Das war auch die Geste eines guten Menschen, nicht wahr? Er hatte begriffen, dass sie uns hätten abtransportieren und erschießen können. Später im Ghetto kamen wir (zum Arbeiten) in die Steppe, zurück ging es auf einer Karre, darauf war Heu geladen, sehr hoch.
  5. Die Männer verluden das Heu, ich wurde dann oben draufgesetzt und wir fuhren zu unserem Hof. In der Nähe waren Deutsche einquartiert. Ein Deutscher kam heraus um zu rauchen und sah die Karre kommen. Ich versuchte irgendwie herunterzuklettern, doch es war sehr hoch. Er kam näher, ich hatte Angst, dass er mich erschießt. Aber nein, er streckte die Arme aus, packte mich und stellte mich auf den Boden.
  6. Er lächelte und ging. Das war auch eine gute Tat. Also, die Menschen sind unterschiedlich. Wir trafen Deutsche, die auf Hitler schimpften: „Hitler kaputt!“ Ihnen tat es leid, dass sie ihre Familien verlassen und kämpfen mussten. Sie waren unzufrieden, das gab es auch. Wir taten so, als ob wir nichts verstünden.