Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. So verging die Zeit. In unsere Baracke kamen Bauern, die erzählten uns, wo die Frontlinie verläuft, was im Gange ist. Und wir beteten und warteten auf unsere Befreiung. Abends saßen wir zusammen, sangen sehr leise sowjetische Lieder und weinten.
  2. Also, die Frontlinie kam näher. Die Deutschen zogen sich schon zurück, die sowjetischen Truppen trieben sie vor sich her. Gerüchte darüber erreichten uns. Wir freuten uns, hatten aber auch Angst. Warum? Vor dem Rückzug erschossen die Deutschen oft die Leute in den Ghettos, ganz unschuldige Menschen.
  3. In unser Gehöft kam aber ein Mann aus Odessa, um dort Sachen zu verkaufen, danach fuhr er wieder zurück. Meine Tante lernte ihn kennen, und als es besonders unruhig wurde… Er war an bestimmten Tagen da, alle zwei Wochen oder so. Sie lernte ihn kennen und bat ihn inständig, mich und ihre Tochter auf der Rückfahrt nach Odessa mitzunehmen.
  4. Wir hätten da eine Unterkunft, er bräuchte uns nur dahin zu fahren. Sie hatte Angst, dass (uns) etwas passieren könnte. „Und wir (Onkel und Tante) bleiben hier und verstecken uns.“ Die Bauern waren gut, sie sagten in der Tat: „Wir verstecken euch, keine Angst.“ So gingen wir mit (dem Mann) zusammen lange zu Fuß und kamen zu einem Bahnhof, wo wir in den Zug steigen konnten.
  5. Deutsche waren in der Gegend, wir gingen buchstäblich durch die deutschen Truppen. Sie stoppten uns und stellten Fragen, er hatte aber Papiere für die Fahrt. Er sagte „Das sind meine Frau und meine Tochter“, und es ging durch. Wir kamen nach Odessa, zusammen mit den Deutschen. Er brachte uns in seine Wohnung, ich schrieb sofort einen Zettel für meine (russische) Tante.
  6. Sie kam am frühen Morgen, um uns abzuholen. Wir übernachteten (bei dem Mann), machten uns aber große Sorgen, dass wir die Verwandten zurückgelassen hatten. Sie (die Tante) nahm uns mit, konnte uns aber nicht zu sich bringen. Denn in diesem Haus hatten wir (früher) gewohnt, dort war ich einmal „Shidowka!“ gerufen worden.
  7. Sie sagte: „Ich kann euch nicht dahin bringen, ihr werdet sofort denunziert.“ Sie führte uns zu unserer früheren Freundin, die auch in unserem Haus gewohnt hatte. Es war abgesprochen, sie war natürlich einverstanden und wir kamen dahin. Wir zogen unsere Lumpen aus, sie schmiss sie weg. Wir wuschen uns, sie gab uns Kleidung und Essen. Die Deutschen waren noch da, und wir wohnten bei ihr zwei bis drei Wochen, bis unsere Truppen einmarschierten.