Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Ich hatte Angst, nach dem Ghetto. Aber ich sah (damals) nur deutsche Soldaten, sie waren sehr feindlich eingestellt. Wir sprachen manchmal mit ihnen. Vielleicht wussten sie nicht genau, wer wir sind, Bauern oder Juden. Sie waren einfach… Sie waren so erzogen und so eingestellt.
  2. Ihnen wurde es eingeflößt und sie sagten: „Die Juden sind für die Revolution verantwortlich. Die Juden haben Schuld daran, dass wir kämpfen.“ Die Juden waren scheinbar an allem schuld. An allen ihren Nöten waren nur die Juden schuld. Und sie seien eine Nation, die die Welt beherrschen wolle.
  3. Wissen Sie, das war die Erziehung unter Hitler. Das war im Krieg, sie waren verärgert, dass sie kämpfen mussten. Sie hatten ja auch ihre Familien verlassen, ihre Kinder und Frauen. Sie kamen auch um, das verärgerte sie. Und ihnen wurde eingeflösst, dass die Juden daran Schuld hätten, deswegen müssen sie gehasst und vernichtet werden. Wir haben begriffen, dass das der Einfluss Hitlers war. Erstens lernten wir „unsere“ gute deutsche Frau kennen.
  4. Zweitens freundeten wir uns hier mit einer deutschen Familie an. Er war Hausmeister in unserem Haus in Dessau. Wunderbare, ausgezeichnete Menschen! Wir sind immer noch befreundet. Ich habe zufällig (noch) eine Frau kennengelernt, wir stehen in Briefkontakt. Deutsche sind normale gute Menschen, kultiviert. Aber es gab einen Einfluss. Die Russen, die „Shidy sind an allem Schuld!“ riefen, waren vielleicht auch von diesem Geist angesteckt.
  5. Es gab ja Menschen, die sahen, wie Juden vertrieben wurden… Ich persönlich sah, wie ein alter Mann stehen blieb und die Hände zusammenschlug: „Mein Gott, was geht da vor! Was wird den Menschen angetan!“ Das waren Russen. Und die anderen, z.B. Bauern, sagten: „Ihr habt wenigstens gut gelebt, und wir leben immer in der Not.“ Sie suchten auch nach Schuldigen: „Ihr seid schuld, dass wir arm sind.“ Es gab also verschiedene Meinungen. Aber von den Deutschen habe ich jetzt einen ganz anderen Eindruck.
  6. Es sind andere Zeiten, andere Beziehungen. Heute bin ich sehr freundlich zu den Deutschen eingestellt. Ich persönlich habe hier keine bösen und schlechten Menschen getroffen, die mir unangenehm sind.
  7. Die Tochter (meines) Neffen hat einen Deutschen geheiratet. Sie lernten sich kennen, als sie 20 waren. Heute sind sie schon 35. Sie leben wunderbar zusammen, verstehen sich sehr gut. Sie hat zur ganzen Familie von ihm ein gutes Verhältnis. Und seine Familie ist mit ihrer Familie befreundet. Und Antisemitismus ist überhaupt nicht zu spüren. Im Gegenteil: Er kann schon etwas Russisch. Meistens sprechen sie natürlich Deutsch, sie hat ja auch die Uni absolviert. Nun, es sind ganz normale Menschen – keine Frage. Sie sind kultiviert.