Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Nun erzähle ich etwas über den Krieg. Wir kamen an die Zentralfront, es war damals die Woronescher Front. Sie wissen wahrscheinlich, wo das war. Wir kamen an und es hieß: „Nein, ihr solltet bei Rostow sein“, wo das „kleine Land“ ist. Wir kamen dann dahin. Für mich bleibt unvergessen, wie wir aus dem Zug ausstiegen, wir waren alle Offiziere. Man sagte uns: „Da steht die Barkasse, steigt ein! Ihr kommt rüber und verteidigt das Zementwerk.“
  2. Unser Gegner war die Gebirgsdivision Edelweiß, gut ausgebildet. Und wir waren, oh… Übrigens mit uns zusammen war Breschnew, er war Leiter der Politabteilung der 18. Armee. Ich war bei der 46. Armee. Wir gerieten unter Druck, besonders schwer war, dass wir kein Wasser hatten. Da gab es die sogenannte „Lebensquelle“. Das Wasserholen kostete uns aber jedes Mal zwei Soldaten. Da verliefen die Schützengräben, uns fehlte es an Waffen. Dann ist uns eingefallen, die Esel durch die Schützengräben zu führen, sie transportierten die Waffen.
  3. Wir hielten die Stellungen. Das war schrecklich, jeder Meter… Sie (die Deutschen) wollten Noworossijsk um jeden Preis einnehmen, das bedeutete Öl und den Zugang zum Transkaukasus. Aber wir sagten: „Eher sterben wir, als dass wir sie durchlassen.“ Wir hielten die Stellung bis zuletzt. Dann begann Kunikow (einen Angriff). Das war nicht der Hauptangriff, sondern eine Ablenkung. Wir überquerten das Meer und begannen… Sehr viele von uns sind dort gefallen.
  4. Jedenfalls konnten wir uns da festsetzen und die Stellungen halten, wir lösten unsere Aufgabe. Dann hieß es, wir kämen nach Teheran, um die dortige Regierung zu schützen. Tatsächlich kamen wir nach Prochorowka am Kursker Bogen. Das war schrecklich, jede Seite hatte tausend Kampffahrzeuge. Man muss anerkennen: Die ganze Sache wurde von einem Leutnant der Flaktruppe gerettet. Er war der Erste, der mit seiner Flakbatterie auf die (deutschen) „Ferdinand“-Panzer schoss. Die Flaks sind lang und haben eine große Reichweite, einen „Ferdinand“ durchschossen sie. Das rettete uns.
  5. Ich muss sagen, in Prochorowka begriff ich, was Krieg bedeutet. Da fahren tausende Panzer auf einander zu, alles kracht und wird zermalmt. Wir kamen dann nach Korotschew und gingen dort in Stellung. Das ist eine kleine Stadt, da war es sehr hart. Die Deutschen bombardierten uns, alle schossen. Wir hatten nur eine Aufgabe: auf die deutschen Panzersoldaten zu schießen, wenn sie ihre Maschinen verlassen. Ja, das war unsere Aufgabe, sie durften nicht entkommen. Also, die Panzer brannten, sie stiegen aus, und unsere Soldaten erledigten sie. Krieg ist halt Krieg.
  6. Als es etwas ruhiger wurde, wurde unsere 46. Armee Richtung Isjum und Barwenkowo versetzt. Wir mussten uns dort um jeden Preis durchkämpfen und Isjum befreien. Zum ersten Mal im Krieg konnte ich mein Zuhause aufsuchen. Alle Fensterscheiben waren zerschlagen, alles demoliert und geplündert. Ich übernachtete auf der Eingangstreppe. Es fällt mir schwer, daran zurückzudenken. Also, ich übernachtete da und fühlte mich wie ein Mensch. Ich will sagen: Wir hielten durch…