Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Ich verbrachte und arbeitete 25 Jahre in Chisinau. All diese Jahre war ich Lehrstuhlleiterin. Der Rektor bat mich, dies kommissarisch zu tun, und versprach, einen neuen Leiter zu finden. Schließlich kam es so, dass ich lange Zeit den Lehrstuhl leitete. In dieser Zeit beschäftigte ich mich bereits mit der Habilitation.
  2. Die ersten drei Jahre hatten wir keine eigene Wohnung und mussten immer wieder eine neue Unterkunft suchen. Mit einem Kleinkind war es gar nicht einfach: Kindergarten, Krankheiten und so weiter... Trotzdem begann ich meine Habilitationsarbeit über englische Dichtung zu schreiben. Dieses Thema beschäftigte mich bereits in Komsomolsk-am-Amur, ich näherte mich dem Thema auf Anraten von Nina Michalskaja.
  3. Allerdings fiel meine Habilitation in eine Zeit, als ich beinahe todkrank war. Aber Gott hatte Mitleid mit mir. In dieser Zeit scheiterte meine erste Ehe, ich musste viel durchmachen, was mit einem Krankenhausaufenthalt und einer Operation endete. Kaum gesund, fuhr ich nach Moskau mit der fertigen Habilitationsarbeit.
  4. Aber meine Lehrer, Nina Michalskaja und ihr Mann, Professor Anikin, wurden plötzlich stutzig: „Du hast einen theoretischen und einen praktischen Teil. Uns wird aber vorgeworfen, dass dies der marxistisch-leninistischen Methodologie nicht entspräche, denn die Theorie ist von der Praxis getrennt. Damit lieferst du dich selbst ans Messer!“
  5. Ich habe das zwar ihren Empfehlungen folgend geschrieben, musste dann aber vieles umschreiben und neu gestalten. Dafür war ein ganzes Jahr nötig. Kurz gesagt, ich konnte mich habilitieren. Nach der Rückkehr war ich eine Stunde zu Hause und kam dann auf die Intensivstation. Meine Gesundheit machte mir große Probleme. Das hing mit der Bauchspeicheldrüse zusammen, sie konnte bei uns noch nicht operiert werden.
  6. Nach der Habilitation war meine Lage wesentlich besser. Der Rektor war glücklich, dass er den Lehrstuhlleiter nicht mehr suchen musste. Ich konnte dort bleiben, so lange ich wollte. Ich bin jedoch nicht gewohnt, einfach so zu sitzen und nichts zu tun. Das kann ich beweisen, indem ich zeige, was ich hier in Deutschland geleistet habe, auch ohne meinen Lehrstuhl und das Ganze.