Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Und man spürte schon, dass es auf die Beseitigung des Ghettos hinausläuft. Und wir wussten, es gibt schon die jüdische Partisaneneinheit von Sorin.
  2. (Es war) eine „Familieneinheit“, da wurden Frauen und Kinder aufgenommen, um ihnen das Überleben zu ermöglichen. Der Untergrundleiter Smoljar war bereits im Wald bei den Partisanen. Im Ghetto blieben nur zwei Untergrundgruppen: Mama und noch eine Frau. Und da habe ich Erinnerungen, wie wir Ende Juli oder August (1943) weggingen.
  3. Dann wurde die Gruppe vorbereitet und ein Begleiter ins Ghetto geschickt. Unsere Gruppe war eine der letzten, deren Fortgang vom Untergrund organisiert wurde. Es waren ungefähr 25 Leute, ich war der Jüngste, bereits fünf Jahre alt. Die Gruppe ging vorbereitet, sie nahmen 50 Gewehrverschlüsse und über 40 Lademechanismen mit.
  4. Es gab keine Taschen, und sie wurden in gebundenen Bettlaken getragen. Und es gab eine Schreibmaschine, mein Stiefvater hatte sie beim Judenrat gestohlen. Und die Hälfte der Gruppe war bewaffnet.
  5. Der Stiefvater hatte einen Revolver und Tante Zilja den tschechischen Karabiner. Wir gingen in der Nacht los, das weiß ich noch. Wir versammelten uns bei Sara, bei der ich wohnte. Ihre Töchter gingen auch mit. Man hob den Stacheldraht, und wir gingen heraus.
  6. Es war Ende Juli oder Anfang August, die Nächte wurden schon länger. Die Straßen waren leer, und wir gelangten schnell zum Stadtrand. Da war schon Gebüsch. Und wir hatten Glück, wir trafen auf keine deutsche Streife.
  7. Woran ich mich erinnern kann: Erstens Angst, das hatten alle. Ich hielt die Hände der Mutter und des Stiefvaters Aron. Seine Frau und zwei Kinder kamen bereits 1942 um, eine Tochter war Medizinstudentin, die zweite war neun Jahre alt.
  8. Und mir blieb noch die Erinnerung: Es war gefährlich, die Eisenbahnlinie zu überqueren, sie wurde bewacht. Die Leute sagten, da fährt ein Panzerzug, er rauschte vorbei. Ich hatte keine Ahnung, was das ist. Wir saßen an der Eisenbahnlinie.
  9. Dann lief die ganze Gruppe auf die andere Seite hinüber. Das war noch ein Hindernis, nach dem Stacheldraht im Ghetto. Kaum begann der Sonnenaufgang, drückten wir uns in ein Gebüsch und lagen den ganzen langen Tag still da.
  10. Wir warteten, bis es dunkel wurde, und gingen weiter. Und so waren wir drei oder vier Tage unterwegs, bis wir ins Partisanengebiet kamen. Die Begegnung war auch nicht besonders angenehm.
  11. Das erste Treffen war so: Die Partisanen umstellten uns: „So, was habt ihr mitgebracht? Ja, gut. Gebt uns die Schreibmaschine ab…“ Sie wollten uns die Sachen abnehmen, da sie sie auch brauchten: „Ihr seid Juden, Frauen. Ihr kommt zur Partisaneneinheit von Sorin, ihr werdet das nicht brauchen.“
  12. Und diese Frau (Zilja) gab ihren Karabiner nicht ab: „Ich werde schießen!“ Und sie nahmen sie auf: „Sie ist kämpferisch!“
  13. Wir wurden durchsucht. Ich erinnere mich, ich hatte eine Jacke an und die Taschen wurden gefilzt. Auch mein Haar wurde angeguckt, ob da Geld usw. versteckt ist.
  14. Sie nahmen ein paar Leute auf, z.B. die kämpferische Frau. Und wir wurden weiter geschickt.