Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Wir kamen zur Partisaneneinheit von Sorin und erzählten die Geschichte. Er begann zu schimpfen: „Warum habt ihr (euch nicht gewehrt)? Wozu brauche ich euch, zum Teufel! Ich brauche Waffen, dies und das.“ Später habe ich die Korrespondenz gefunden: Die uns abgenommenen Sachen wurden zum Teil zurückgegeben.
  2. Was war das, die Sorin-Einheit? Es waren etwa 600-700 oder bis zu 800 Leute, denn die Stärke änderte sich, man wechselte zu anderen Einheiten. Das waren Juden, meistens aus dem Minsker Ghetto. Einige waren aus der Umgebung oder stießen auf andere Weise dazu.
  3. Es gab eine Kampfkompanie aus 143 Leuten. Sie waren bewaffnet, ihre Aufgabe war, Schutz zu bieten und zu kämpfen. Und das wichtigste war, Lebensmittel zu beschaffen. Da gab es etwa 150 Waisen zwischen fünf und 16 Jahren. Diese Kinder waren jemandem gefolgt und alleine geflüchtet, dann kamen sie zur Einheit.
  4. Hier wurde Essen zubereitet. In der Einheit gab es eine Küche und Bäckerei. Da gab es laut der Dokumente eine Anordnung: „(Den Partisanen) Dank auszusprechen, die bei der Polizei eine Kuhherde erbeutet hatten.
  5. Einer bekommt ein Stück Stoff, dem anderen werden Stiefel gefertigt.“ So wurden sie ausgezeichnet. In der Einheit versammelten sich gute Fachleute, z.B. Metzger und Müller. Die Partisaneneinheiten mit 100 oder 200 Leuten konnten nichts Dauerhaftes aufbauen.
  6. Und hier ging das, hier gab es eine Mühle, wo ein Pferd im Kreis ging. Wir Kinder trieben es an. Und es gab eine Bäckerei in einer Erdhütte. Die Bäckerin war Tante Sara, ich war für sie ein Bekannter.
  7. Da war es warm, und der Ofen wurde ständig geheizt. Ihre Töchter und ich saßen auf dem Ofen und bekamen manchmal Brotreste.
  8. Für die Kinder wurde eine Pioniergruppe organisiert. Die anderen Einheiten hatten schon Verbindungen zum „großen Land“, es kamen Fallschirmspringer oder es wurde etwas abgeworfen.
  9. Sie brachten einen Fallschirm, und daraus wurden für die Kinder Halstücher genäht. Sie wurden gefärbt, und die Kinder trugen sie. Und es gab Laienkunst, d.h. die Kinder waren irgendwie beschäftigt. Später entschied man: Die Kinder verlieren viel Schulzeit im Krieg.
  10. Und es wurde eine Schule geschaffen. Hier begann für mich eine Tragödie: Ich war sechs und wurde auf der Schule nicht aufgenommen. Ich hielt mich aber für erwachsen, nach dem Ghetto und bei den Partisanen. Ich ging dahin und weinte.
  11. Und da war die Schule: Lehrer und keine Schulbücher. Sie erzählten aus dem Gedächtnis, gaben Geschichts-, Mathe- und Sprachunterricht. Papier war Mangelware, man schrieb auf Baumrinde, mit Kohle an der Wand und wie es gerade ging.
  12. Ich wurde auf der Schule nicht aufgenommen und weinte damals sehr. (Später) gab es auf (meiner) Schule eine Lehrerin. Sie hatte eine gute Beziehung zu meiner Mama. Es stellte sich heraus, sie war Lehrerin bei den Partisanen (gewesen).
  13. Sie gab technisches Zeichnen in den oberen Klassen. Was gab es in der Einheit noch? Zu uns kamen stets Leute aus den Einheiten in der Nachbarschaft, um etwas reparieren und sich behandeln zu lassen und Kontakt aufzunehmen. Ich bat sie um Patronen für den Stiefvater.
  14. Wir wohnten in Erdhütten. Die Deutschen brannten die Dörfer nieder, aber die Ernte war noch da. Wir gruben Kartoffeln aus und lagerten sie in Mieten.
  15. Also Kartoffeln. Und man legte Kornvorräte an, das taten spezielle Arbeitsbrigaden, denn man sah den Winter kommen. Zuerst wohnte man in Laubhütten, für den Winter wurden Erdhütten gebaut. Als Beleuchtung hatten wir Funzeln oder Kienspäne. In den Erdhütten wohnten Familien und Verwandte, es gab kleinere und größere Erdhütten.
  16. Überwintern konnten wir nur schlecht, es war kalt und wir hungerten. Im Winter konnte man nicht herumlaufen, denn es blieben Spuren zurück. Was trugen wir an den Füßen? Mama arbeitete in der Werkstatt und mir wurden die bestmöglichen Schuhe aus Rindshaut gefertigt, sie waren wie Filzstiefel, und so war es wärmer.
  17. Ich bekam eine Reithose und einen Feldrock aus Sackleinen genäht. Ich bewahrte das noch lange auf, es ging dann bei einem Umzug verloren. Was gab es da noch Interessantes? Das Leben in der Einheit ging weiter, man heiratete und es gab Paare. Und es wurden einige Kinder geboren.