Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Was erinnere ich von diesem Ereignis? Das war am 2. März 1942, ich war bereits fast vier. Wir waren schon weise Kinder, die Kinder wussten schon genau, was sie dürfen und was nicht. Und auch wo sie sich verstecken, erstarren und schweigen mussten.
  2. Am nächsten Morgen… Mama und ich wohnten in der Nähe und gingen dahin (zu der Grube). Im Ghetto war es schon still, es wurde gesagt: „Das Pogrom ist vorbei.“ Wissen Sie, unter diesen Umständen gingen die Leute weg und kamen um, man wusste nichts Genaues.
  3. Mamas Schwestern kamen (auch) um, und ich denke, bei diesen Pogromen. Denn die Umstände sind nicht bekannt, eine hatte die Babys, Mädchen. Also, wir standen am Rand dieser Grube.
  4. Die Grube – in der Nähe waren Häuser, und vor dem Krieg wurde da Lehm geholt. So entstand eine Vertiefung, die Gegend da ist etwas hügelig. Ich behielt die Körper in Erinnerung, sie waren weiß. Warum weiß, das konnte ich lange Jahre nicht verstehen.
  5. Später wurde mir erzählt: Da lagen viele Leute in Unterwäsche, sie wurden zu Hause überrascht. Und Ljonja Motkelewitsch, er ist leider schon tot, erzählte mir: Er und sein jüngerer Bruder… Er war Waise und wurde von den Großeltern großgezogen. Die Eltern waren repressiert.
  6. Er erzählte, er hätte sich bei seinen Freunden, Mitschülern, jenseits des Stacheldrahts versteckt. Als das Pogrom los ging, liefen sie ins Ghetto, um die Großeltern zu suchen. Er sagte: „Es hat geschneit, und wir stolperten über Leichen.“ Ich verstehe jetzt: Das waren Leichen, mit Schnee bedeckt.
  7. Das war also am 2. März 1942. Danach war es im Minsker Ghetto stets unruhig, es fanden kleine Pogrome statt. Was bedeutet das? Ein Haus am Ghettorand wurde umstellt, alle Bewohner wurden nach draußen getrieben, zusammengeschlagen und erschossen. Frauen wurden vergewaltigt, es gab Plünderungen.
  8. Im Innern des Ghettos war nur die jüdische Ordnungspolizei, sonst keine Bewachung. Außen gingen nur Streifen, es gab keine Wachtürme. Viele schreiben in ihren Erinnerungen von sechs Stacheldrahtreihen. Dafür gab es da schlicht keinen Platz, die Straßen in Minsk sind schmal.