Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Die Geschichte war dann zu Ende, nach dem Hospital kam ich an die Front. Entlassen wurde ich zusammen mit zwei jungen Männern, meinen Nachbarn im Hospital. Wir wollten Aufklärer werden.
  2. Vorher waren sie bei der Granatenwerfertruppe oder einfache Schützen. Ich wollte (auch) Aufklärer sein. Nach einer Befragung kamen wir zur Aufklärung.
  3. Das war anständig, wir kamen dahin, wohin wir wollten. Ich war nun bei einer Aufklärerkompanie. Da kämpfte ich bis Kriegsende. Es gab natürlich verschiedene Abenteuer, über mich wurde viel geschrieben.
  4. Wichtig war aber, dass ich Aufklärer wurde. Ich merkte dort zum ersten Mal: Ich bin ein Glückspilz. Eines Tages kamen neue Soldaten zur Truppe, da gab es einen deutschen Luftangriff.
  5. Ich hatte keine große Angst vor Luftangriffen, ich wollte mich nicht einmal im Schützengraben verstecken. Die Jungs machten ein Loch in einer Heumiete. Und ich machte mir keinen Schutz.
  6. Ich sah dann ein Flugzeug im Sturzflug über uns, es warf Bomben ab. Sie flogen auf uns. Ich hatte eine Zeltbahn, ich warf sie auf die Jungs in der Miete und sagte: „Die ist für uns!“
  7. Eine große Bombe explodierte fünf oder sieben Meter weiter. Es gab eine furchtbare Explosion, ich war mit Blut beschmiert. Das war nicht mein Blut, sondern des Mannes, der unter mir lag.
  8. Ich hatte die zwei Jungs mit der Zeltbahn verdeckt. Einer wurde an der Brust und am Bauch durchlöchert. Meine Zeltbahn war buchstäblich von Splittern durchsiebt. Ich blieb unverletzt, höchstens ein Stück Erde schlug mir auf den Rücken.
  9. Der andere war noch bei Bewusstsein, er zeigte mir sein Bein. Das andere Bein war abgerissen, das verbliebene mehrmals gebrochen. Etwa anderthalb Stunden später starben sie beide.
  10. Der, der unter mir lag, war an der Brust und am Bauch verwundet. Den Darm hereinzudrücken geht nicht einfach so, auch einen Verband anzulegen... Er reichte mir ein Verbandspaket, aber was konnte ich damit anfangen. Ich verband ihn, aber beide waren etwa eine Stunde später tot.
  11. Ich lief noch und suchte Sanitäter oder einen Feldscher, aber das Ende war halt so. Ich hatte wie immer Glück, ich überlebte und war nicht einmal verwundet.
  12. Alle haben Angst und ich auch. Man muss jedoch seine Angst zügeln können. Das fiel mir leicht, ich bin irgendwie selbstsicher und weiß: Mir wird nichts passieren. Es begann ein normales Kriegsleben. Ich war Aufklärer, ich bekam Aufträge und erfüllte sie. Ich erlebte viele Abenteuer usw. Manches blieb mir im Gedächtnis.