Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Die Juden, die u.a. nach Deutschland kommen… In Israel besteht das Problem nicht. Sie möchten sehr gerne russische und ukrainische TV-Sendungen sehen. Ihr ganzes Leben ist ja damit verbunden. Daher ist es für sie sehr wichtig, russisches oder ukrainisches Fernsehen sehen zu können. In Dortmund z.B. gab es praktisch nur zwei Möglichkeiten: entweder D-Box und Kabelfernsehen.
  2. Da gibt es vier Sender: ORT, RTR-Planeta, Euronews auf Russisch und der israelisch-amerikanische Sender RTV-i. Oder eine Satellitenschüssel, das ist die zweite Möglichkeit. Das Kabelfernsehen bietet wenige Sender und ist außerdem sehr teuer.
  3. Man muss für den Kabelanschluss 13 Euro zahlen und auch für die Senderauswahl, etwa 35 Euro monatlich. Also, es kommt eine ordentliche Summe zusammen – 50 bis 60 Euro. Eine Satellitenschüssel zu installieren ist aber untersagt.
  4. Z.B. die Gesellschaft, der unser Haus und alle Nachbarhäuser gehören, untersagt, Satellitenschüsseln zu installieren. Wir haben das trotzdem gemacht, auch ich habe eine Satellitenantenne installiert.
  5. Vor einigen Jahren erhielten wir… Unser Haus gehörte zuerst der großen deutschen Gesellschaft VEBA. VEBA verkaufte dann an Viterra. Heute gehört es der Deutschen Annington. Und wir erhielten wie alle Nachbarn ein Schreiben von der Deutschen Annington: „Ihre auf dem Balkon installierte Satellitenschüssel ist nicht zulässig.
  6. Binnen eines Monats müssen Sie sie demontieren. Wenn Sie sich für bestimmte Sender interessieren, bitte schön, es gibt Kabelfernsehen, bestellen Sie es.“ Dieses Schreiben haben viele Leute erhalten. Und ich schrieb einen Brief: „Wir brauchen unbedingt die Satellitenschüssel.“
  7. Ich erhielt dann ein Schreiben von der Deutschen Annington: „Wir setzen Ihnen noch eine einwöchige Frist, die Satellitenschüssel abzumontieren. Ansonsten wird ein Gericht eingeschaltet mit den entsprechenden Konsequenzen.“
  8. Mich interessierte, wie ich die Sache zu Ende bringen kann. Ich machte Folgendes: Erstens druckte ich kleine Anzeigen und klebte sie an alle Hauseingänge und an die Bushaltestelle: „Genossen, wer eine Satellitenschüssel hat – kommen Sie doch zu einer Versammlung, um die Frage zu besprechen.“
  9. Und ich setzte zu einer bestimmten Zeit eine Versammlung fest am Hauseingang, da ist ein Parkplatz. Es versammelten sich ziemlich viele Leute. Ich sagte: „Ich schlage als Erstes vor, ein Organisationskomitee zu bilden.
  10. Wir notieren unsere Telefonnummern, damit wir mobil und solidarisch sein können.“ Und wir machten so eine Liste. Dann wollten wir Briefe schreiben, die ersten Briefe lauteten ungefähr so: „Wir zogen hierher und wollen hier fernsehen. Sie verbieten uns das und verletzten unsere Informationsfreiheit.
  11. Sie bringen uns als Juden in Misskredit“, usw. Also, da waren viele emotionale Gründe im Spiel. Ich verstand, das bringt nichts. Ich half vielen Leuten, ihre Briefe auf meinem PC zu drucken. Und ich selbst schrieb einen eigenen Brief.
  12. Als erstes ging ich aufs Dach. Als wir hierher kamen, stand da eine große Satellitenschüssel für den Empfang eines alten sowjetischen Satelliten, der dann verglühte.
  13. Ich fotografierte diese Satellitenschüssel. Und ich schrieb einen Brief: „In unserem Mietvertrag steht, dass wir ohne Ihre Zustimmung auf dem Balkon nichts installieren dürfen.
  14. Erstens: Als wir in Ihr Haus einzogen, konnten wir russisches Fernsehen empfangen. Nachdem der Satellit aufgehört hatte zu funktionieren, installierten wir eine Satellitenschüssel. Und Ihre Vorgänger, denen das Haus gehörte, hatten nach der Aufklärung diesbezüglich keine Beanstandungen.
  15. Drittens: Sie kauften unser Haus bereits mit der installierten Satellitenschüssel. So sind wir grundsätzlich nicht auf Ihre Zustimmung angewiesen.
  16. Viertens: Wir haben ein Komitee gegründet und eine Versammlung abgehalten. Wenn Sie möchten, können wir vor Gericht wetteifern. Wir haben sehr erfahrene Anwälte, die bereit sind, uns unentgeltlich bei der Sache zu unterstützen.
  17. Und zum Schluss: Ich bitte Sie nicht um Erlaubnis. Ich bitte Sie, die Sache ruhen zu lassen. Die Schüssel soll auch weiterhin stehen, wir brauchen Ihre Beanstandungen nicht.“ In diesem Brief gab es noch einige wichtige Details.
  18. Der Hausmeister erzählte mir dann: „Die Gesellschaft hat einen Brief erhalten, so etwas gab es früher nicht.
  19. Deren Anwalt schaute ihn sich an und sagte, es sei aussichtslos, sich darauf einzulassen.“ Das war ein Präzedenzfall, danach wurden in Dortmund Satellitenschüsseln installiert.
  20. D.h. ich bin jetzt der Meinung: Die Satellitenschüsseln in Dortmund – das ist auch mein persönlicher Beitrag, um den Juden zu ermöglichen, kultivierter und komfortabler zu leben.