Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия

Kateryna Zaporozhchuk

Kateryna Zaporozhchuk wurde am 29. September 1922 in Uman, einer Stadt in der Zentral-Ukraine, geboren. Die Mutter arbeitete in einer Apotheke, der Vater war zunächst in einer Bank, später als Handwerker in einem Kolchos beschäftigt. Uman hatte 22000 jüdische Einwohner und eine berühmte jüdische Pilgerstätte: Hier befand sich das Grab des Rabbi Nachman von Brazlaw (1772–1810), einem Urenkel des Baal Schem Tow, des Gründers des Chassidismus. Die Anhänger des Rabbi Nachman, die „Brazlawer Chassidim“, pilgerten jedes Jahr am jüdischen Neujahrsfest (Rosch ha-Schana) nach Uman, bis sie 1937 durch antireligiöse Kampagnen des Sowjetregimes in die Illegalität gedrängt wurden.
Kateryna Zaporozhchuk war die älteste von vier Geschwistern. Als Deutschland am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel, hatte sie gerade die Schule beendet und wollte ein Medizinstudium aufnehmen. Ihre Schwestern waren zwölf und zehn, ihr Bruder sechs Jahre alt. Am 1. August 1941 erreichten deutsche Truppen Uman. Kurze Zeit danach folgten die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, die sofort damit begannen, die jüdische Bevölkerung zu terrorisieren. Ein Ghetto wurde eingerichtet und ein „Judenältester” eingesetzt. Ende September 1941 fand am jüdischen Neujahrsfest ein erstes „Pogrom“ statt. Wenige Wochen später wurde der Großteil der jüdischen Bevölkerung von Uman in der Schlucht Suchoj Jar unter Beteiligung von SS, Gestapo und ukrainischer Polizei erschossen. Unter den Opfern waren die Geschwister, die Mutter und die Großmutter von Kateryna Zaporozhchuk. Insgesamt wurden etwa 17000 jüdische Einwohner von Uman von den Deutschen ermordet.
Kateryna Zaporozhchuk überlebte die Erschießungsaktion und wurde von einer Freundin, die zu den Partisanen gehörte, gerettet. In der Folgezeit versteckte sie sich auf dem Land und arbeitete für die Partisanen. Sie wurde verhaftet und zurück ins Ghetto geschickt, das sie aber immer wieder verließ, um in den umliegenden Dörfern Lebensmittel zu besorgen. Erneut verhaftet, wurde sie im Lager Marianowka eingesperrt, konnte aber nach kurzer Zeit wieder fliehen. Ihre Freundin verschaffte ihr schließlich den Pass einer verstorbenen Tante und damit eine neue Identität. Im Frühjahr 1943 schlug sich Kateryna Zaporozhchuk auf die sowjetische Seite der Front durch. In den letzten Kriegsmonaten arbeitete sie als Sanitäterin in einem Lazarettzug. Ende 1944 kehrte sie nach Uman zurück, doch ihre Hoffnung, Familienangehörige zu finden, erfüllte sich nicht. Außer ihr hatte niemand überlebt.
Kateryna Zaporozhchuk absolvierte ein Studium an der Pädagogischen Hochschule in Uman und arbeitete als Lehrerin. Später studierte sie Bibliothekswesen und war fast 30 Jahre lang als Bibliothekarin tätig. Viele Jahre arbeitete sie außerdem als Reiseführerin für ausländische Touristen und organisierte Unterkünfte für Brazlawer Chassidim, die seit den 1960er-Jahren wieder nach Uman reisen konnten. Im Jahr 2000 kam sie mit ihrem zweiten Mann Dawid Peresetschinskij (1925–2002) nach Deutschland und lebt heute in Köln.