Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия

Michael Galperin

Michael Galperin wurde 1920 als Kind einer Arbeiterfamilie im weißrussischen Mogiljow geboren. Sein Vater Israil war nach mehreren Kriegseinsätzen Invalide, seine Mutter Hassia Schneiderin, so dass Michael und seine sieben Geschwister in ärmlichen Verhältnissen großgezogen wurden.
Nach Beendigung der Schule und Besuch eines Technikums in Odessa durchlief Michael ab Ende der 1930er-Jahre eine militärische Ausbildung in Moskau und Sewastopol. Seit dem Überfall des Deutschen Reiches auf die Sowjetunion diente er in verschiedenen Artillerie- und Flakeinheiten der Roten Armee.
Michael Galperin war an vielen schweren und verlustreichen Schlachten beteiligt, so bei den Kämpfen um Kertsch auf der Halbinsel Krim 1943, bei der Verteidigung von Malgobek in Inguschetien oder der Erstürmung des Sapun-Berges bei Sewastopol 1944. Er wurde mehrmals verwundet und musste einmal miterleben, wie fast seine gesamte Einheit von den deutschen Truppen vernichtet wurde. Seit 1943 war er als Kommandeur einer Flakbatterie, später einer Abteilung, an der Befreiung der Kaukasusregion und Südosteuropas beteiligt. Für seine militärischen Einsätze erhielt er hochrangige Auszeichnungen wie den Orden des Roten Banners, den Newskij-Orden oder den Orden des Vaterländischen Krieges.
Neben Michael überlebten nur die beiden durch Evakuierung geretteten Schwestern Rosa und Marija (Mascha) den Zweiten Weltkrieg. Die Eltern und vier Geschwister wurden unter deutscher Besatzung getötet, ein Bruder fiel als Soldat.
Nach 1945 setzte Michael Galperin seine militärische Karriere in Baku am Kaspischen Meer fort. 1958 verließ er die sowjetische Armee im Range eines Oberst. Die Kriegsjahre wurden für seine Pension dreifach angerechnet. Herr Galperin wechselte ins zivile Berufsleben und war in den folgenden Jahrzehnten als Ingenieur und Verwaltungsfachmann tätig, zuletzt als stellvertretender Institutsleiter in Kiew. Aus seiner kurz nach dem Krieg geschlossenen Ehe mit Emma Moiseeva (1926–2003) ging ein Sohn hervor, Alexander, der später ebenfalls den Ingenieursberuf ergriff.
Zwar hatte der Zusammenbruch der Sowjetunion keine gravierenden beruflichen Folgen für Michael Galperin. Da sein Sohn sich jedoch zur Auswanderung entschloss, folgte er ihm mit seiner Frau 1991 nach Deutschland. Das Ehepaar gehörte zunächst der Jüdischen Gemeinde in Mönchengladbach an, bevor es nach sieben Jahren, weil es dort ein jüdisches Elternheim gab, nach Düsseldorf umzog.
Das Gemeindeleben ist für Michael Galperin nicht so sehr aus religiösen Gründen wichtig. Er schätzt jedoch die kulturellen Veranstaltungen, Zusammenkünfte und Feste. Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg pflegt er in Gesprächen mit seiner Familie, Vorträgen und Feiern der Kriegsveteranen anlässlich des Sieges über Nazi-Deutschland und der Befreiung vom Nationalsozialismus am 9. Mai. Dies sei jedoch nicht gegen Deutschland gerichtet. Das Land, das ihn aufgenommen habe, so erklärt Michael Galperin, unterscheide sich deutlich vom Land der einstigen Feinde.