Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия

Vladimir Movshits

Vladimir Movshits wurde am 3. Oktober 1938 als erster Sohn einer jüdischen Arbeiterfamilie geboren; zwei Jahre später kam sein Bruder Grigorij zur Welt. Der Vater Nisson Movshits stammte aus Tula, einer kleinen Stadt südlich von Moskau. Die Mutter Tatiana Movshits (geb. Grin) wuchs in dem weißrussischen Ort Potschep auf; dort brachte sie auch Vladimir zur Welt. Die Familie lebte in Moskau, wo der Vater als Facharbeiter in dem Werk „Der Fräser“ beschäftigt war; die Mutter arbeitete als Buchhalterin. Nach dem Kriegsbeginn 1941 wurde das Werk „Der Fräser“ von Moskau nach Tomsk in Sibirien verlagert und die vierköpfige Familie nach Tomsk evakuiert. Die Eltern des Vaters wurden in Potschep von den Deutschen ermordet, ebenso ein Enkelkind.
Der kulturell sehr interessierte Vater wollte auf Dauer nicht in Tomsk bleiben; er konnte aber erst 1949 mit seiner Familie nach Zentralrussland zurückkehren, da das Unternehmen ihn als Facharbeiter nicht gehen lassen wollte. Durch Beziehungen erhielt er schließlich eine Stelle im Werk für Maschinen- und Werkzeugbau in Sestrorezk bei Leningrad. Vladimir arbeitete nach dem Abschluss der zehnten Klasse zunächst als Fräser und absolvierte ein Abendstudium am Polytechnischen Kalinin-Institut in Leningrad. Im Anschluss daran besuchte er das Lenin-Institut für Elektrotechnik (LETI) und machte 1965 seinen Abschluss als Elektroingenieur für Telemechanik und Rechentechnik. 1964 heiratete er seine Frau Mera (Mila), die beiden haben einen Sohn.
Vladimir Movshits arbeitete viele Jahre als hochqualifizierter Ingenieur für das Unternehmen „Elektronpribor“, das u.a. für das sowjetische Weltraumprogramm in Baikonur produzierte. In den 1980er-Jahren geriet das Unternehmen in den Fokus staatlicher Kampagnen gegen Missstände im Wirtschaftsleben. Herr Movshits wurde in einen Korruptionsprozess verwickelt, er konnte sich aber zur Wehr setzen, und das Verfahren gegen ihn wurde schließlich eingestellt.
1997 beschloss das Ehepaar Movshits, Russland zu verlassen und in die Nähe des Sohnes Michail zu ziehen, der mit seiner Familie nach Paris übergesiedelt war. Herr Movshits wollte sich zudem nach einem intensiven Berufsleben seinen Hobbys und ehrenamtlichen Aktivitäten widmen. Nach einer ersten Station in Wismar zogen die Movshits’ nach Dortmund, wo sie bis heute (2012) leben.
Mit der Entscheidung, nach Deutschland überzusiedeln, sind Vladimir und Mila Movshits zufrieden. Beide engagieren sich in der Jüdischen Gemeinde Dortmund. Herr Movshits ist u.a. als Kameramann aktiv – so war er mehrere Jahre für die Sendung „TV-Studio: Die russische Welle in Deutschland” tätig, die im Offenen Kanal in Dortmund ausgestrahlt wurde. Dreimal in der Woche besucht er den Gottesdienst und sorgt durch seine Anwesenheit mit für den Minjan – die Mindestzahl von zehn Männern, die für einen öffentlichen Gottesdienst erforderlich sind. Auch wenn er sich nicht als religiös definiert, glaubt er, dass es Kräfte gibt, „die die normalen menschlichen Möglichkeiten übersteigen und Wunder vollbringen können“.