Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Und sie nannte mich Moisey, weil… Als ich angemeldet wurde, hing im Standesamt ein großes Foto des berühmten (Bolschewiken) Moisey Solomonowitsch Urizkij. Das war ein Zufall. Sie wollten mich Mischa nennen, sie nannten mich Michail. Und dann sahen sie plötzlich so eine Übereinstimmung: Moisey Solomonowitsch Urizkij: „Vielleicht wird er ein zweiter Urizkij?“
  2. Und sie nannten mich Moisey. Alle sind allerdings darüber verwundert, damals vergab man keine jüdischen Namen mehr; der Antisemitismus zeigte sich bereits. Alle Staatsmänner – Sinowjew, Kamenew und Trozki… Der hat schon einen auf den Kopf bekommen. Alle wurden liquidiert, vernichtet.
  3. Und plötzlich nennen meine Eltern ihren Sohn in Leningrad so, obwohl der Vatersname meiner Mutter eigentlich nicht Iljinitschna, sondern Elkowna war. Mein Vater war ein Michajlowitsch, obwohl er Moschkowitsch heißen musste. Und sie nannten den Sohn Moisey, das war ein äußerst seltener Fall. Ich verstehe, wenn es in einem jüdischen Dorf…
  4. Und das war ja in der Stadt, da konnte man einen Juden bei helllichtem Tage nicht finden. Und sie gab klar zu verstehen: Ich habe den Sohn Moisey. Mit diesem Vornamen meisterte ich mein ganzes Leben. Es ist seltsam, ich kann immer noch nicht verstehen, was da los war: 1938 den Sohn Moisey zu nennen, das ist ein äußerst seltener Fall. Vielleicht dachte sie, dass es keinen Antisemitismus gibt. Als ich sie danach fragte, zuckte sie die Achseln: „Du heißt Mischa, basta.“