Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Was das religiöse Leben anbelangt: Es war keines möglich, es gab keine Synagoge. Allerdings waren nicht nur die Synagogen zerstört, sondern auch die Kirchen.
  2. Mein Vater konnte sich aber irgendwie mit den anderen treffen, sie hatten einen Minjan. Dafür sind 10 Leute notwendig, sonst kann man nicht beten. Die alten jüdischen Rückkehrer versammelten sich in Privatwohnungen.
  3. Zunächst erzähle ich über meinen Vater, wie er mit anderen betete. Sie versammelten sich zum Gebet, manchmal auch bei uns, manchmal in anderen Häusern. Von der Front kam auch Silberstein, er war Oberst. Für uns war es verwunderlich, dass er religiös ist.
  4. Er war energisch, er vergrößerte diese Gruppe und wurde sozusagen Leiter dieser kleinen jüdischen Gemeinde. Sie versammelten sich meistens bei ihm. Er kannte sich mit der Tora und den Gebeten gut aus, hatte viele Bücher.
  5. Jemand von denen besaß noch eine Tora. Wissen Sie, was die Tora ist? Das ist eine Schriftrolle aus Pergament. Samstags holten sie die Tora, das war aber geheim, sie verdeckten sie mit Zeitungen. Sollte jemand an der Tür klopfen, so lasen die Alten angeblich Zeitungen.
  6. Eines Tages kamen KGB-Leute, jemand hatte sie wohl denunziert. Oder dem KGB fiel auf: Die Juden treffen sich. Die Tora wurde beschlagnahmt, es ist immer noch so.
  7. Die Juden waren so niedergeschlagen, Silberstein wurde krank, mein Vater auch. Nicht aus diesem Grund, Silberstein starb aber kurz danach.
  8. Ich möchte sagen: meine Mutter und wir versuchte ihn zu trösten. Wir sagten: „Papa, Gott sei Dank, dass ihr nicht verhaftet wurdet, nur die Tora wurde beschlagnahmt.“
  9. Jetzt fällt es mir ein: Das war ungefähr 1965. Mein Vater starb im Februar 1985. Damals gab es noch keine Öffnung. Manche Gemeinden wurden schon zugelassen, die jüdische Gemeinde aber nicht. Also, die orthodoxe Kirche wurde zugelassen, die Juden durften das nicht und basta.
  10. Zu Hause feierten wir alle wichtigen Feste: Rosch ha-Schana, Purim, Chanukka und vor allem Pessach. Unsere Verwandten, die Schwester meiner Mutter und Nachman, lebten in Georgien. Da war es mit der Religion besser, da wurde Matze in einer Fabrik gebacken.
  11. In der Fabrik war alles koscher. Sie schickten uns Matze zu den Festtagen. Deswegen hatten wir echte Matze. Natürlich buken viele Leute Matzen auch zu Hause, meine Mutter auch. Aber das war echte Fabrikmatze. Wir boten sie den anderen an und freuten uns auf die Matze, die uns die Tante aus Georgien schickte.