Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Wie allgemein bekannt, geschah es am 22. Juni. Es war ein heißer Tag. Am Morgen wurde bekanntgegeben: Das faschistische Deutschland hat uns überfallen. Das machte Angst, in der Stadt brach Panik aus. Im Zentrum des Städtchens gab es nur einen Lautsprecher und durch ihn wurde alles laut bekanntgegeben.
  2. Sofort trafen Gestellungsbefehle ein. Sie konnten nicht gleich gedruckt werden, und im lokalen Radio wurde angekündigt: „Die und die Jahrgänge müssen da und da erscheinen.“ Das war auf dem großen Platz bei der weißrussischen Schule. Und bereits am 24. oder nein, sogar am 23., wurden jüngere Jahrgänge von dort aus weggeschickt. Am 25. ging die nächste Gruppe und am 27. wurde mein Vater einberufen. Er war 1903 geboren.
  3. Die Rekruten aus den Dörfern in der Umgebung versammelten sich… Es waren viele, sie kamen mit Pferdewagen, und es war viel los: Einige weinten, die anderen lachten, es gab Betrunkene usw. Dann wurden die Listen vorgelesen. Einer trat aus der Schule heraus und las die Listen vor: „Der, der und der…“
  4. Und plötzlich erschien ein deutsches Aufklärungsflugzeug über dem Städtchen. Es warf aber keine Bomben ab, nach kurzer Zeit war es wieder weg. Sofort wurde befohlen, den Platz zu verlassen. Sie (die Rekruten) marschierten schnell in den Wald Richtung Tscherikow, drei Kilometer weit.
  5. Am nächsten Tag erfuhr ich, sie seien noch da im Wald. Ich rannte hin, einige Kilometer. Im Wald sah ich jedoch nur das platt getretene Gras. Sie hatten dort übernachtet und waren weiter marschiert, keiner war mehr da.