Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Mama schleppte unsere Klamotten, in ein Bettlaken eingewickelt. Ich lud mir einige Sachen auf. Und Mama trug noch den jüngsten Bruder, er war vier. So kamen wir (von Klinzy) nach Krasnopolje. Wohin da? Wir wollten in die Unterkünfte, wo wir früher gewesen waren.
  2. Dann wurde uns befohlen – eine Bekanntmachung wurde angeschlagen: „Alle Juden haben sich in der und der Straße zu versammeln“, es war direkt im Zentrum. Die Straße bestand aus zwei Teilen, die Hauptstraße durchschnitt sie. Also: auf den beiden Straßenseiten und später auch in den Nebenstraßen – da wurden wir alle versammelt.
  3. Das war schon im August und Anfang September. Zwei Jungen, mit uns entfernt verwandt, waren 15 und 17 Jahre alt. Sie gingen zu ihrem Haus, um sich zu waschen. Jemand aus der Nachbarschaft meldete das eilig bei der Polizei. Sie wurden festgenommen und auf das Gelände der deutschen Truppe gebracht.
  4. Die Soldaten waren in der Schule einquartiert. Die Jungen wurden dort misshandelt und dann am Straßenrand beim russischen Friedhof erschossen. Ich lief dahin und sah sie. Die Gesichter waren völlig entstellt, man hat ihnen wohl in den Hinterkopf mit Dum-dum-Kugeln geschossen. Sie waren nicht wiederzuerkennen.
  5. Dann kamen ihre Mutter und Schwester gelaufen. Und ich sah, wie sie beide Kinder beweinten. Dann… Ihr Vater war vor der Evakuierung ein kräftiger Mann gewesen. Und nun veränderte er sich gleich so stark, dass man ihn nicht wiedererkennen konnte. Er wurde irgendwie grau.
  6. Er lud seine Söhne auf einen Pferdewagen auf und fuhr sie durch das ganze Städtchen – vielleicht zum jüdischen Friedhof. Ich sah nur, wie er sie auf den Wagen hochhob und das Pferd dann durch das ganze Städtchen führte. Das war noch bei Weitem nicht alles.