Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Zu dieser Zeit gelangten irgendwelche Leute in unser Ghetto: „Geht hier schnell weg! Man wird euch ermorden!“ Bis dahin hatte es aber nichts in der Art (im Ghetto) gegeben. Die SS-Leute kamen manchmal herein, sie trugen Blechmarken und hatten Taschenlampen – sie kamen nachts. Sie rührten uns aber nicht an.
  2. Am 28. schlich sich eine Frau ins Ghetto hinein. Sie war festlich gekleidet und sagte: „Geht weg! Die SS wird euch bald…“ Nein, sie sagte: „Vergeltungskommando“. Wir (Kinder) glaubten es wiederum nicht. Es war etwa neun Uhr morgens. Wir glaubten es nicht.
  3. Und alles war still, ich ließ meine Brüder alleine und schlich in die Stadt, um etwas zu besorgen. Plötzlich hörte ich: „Ein Vergeltungskommando im Ghetto!“ Ich rannte zurück, schlängelte mich durch die Gemüsegärten. Unterwegs bemerkte ich zwei Lkws, die beiderseits (im Ghetto) standen.
  4. Ich schlich ins Haus. Da war alles auf den Kopf gestellt. Ich schaute unter dem Bett nach, keiner war da. Ich kam auf den Hof und traf auf den kleinen David: „Was machen wir?“ Ich sagte: „Ich weiß nicht.“ Und zehn Meter weiter – die Straße war schmal – stand ein Zaun. Wir waren aber nicht zu sehen, wir standen am Haus. Da stand ein Lkw, unserem Haus gegenüber.
  5. Wir trennten uns, (David) verschwand und ich versteckte mich im Müll und guckte durch den Zaun. Die Kinder aus den Nachbarhäusern wurden gepackt und auf die Ladefläche geworfen. Auch Tante Anja aus Propojsk mit dem Baby im Arm und weitere Frauen. Sie waren allerdings in einem anderen Lkw.
  6. Danach wurden die Häuser wieder durchsucht, auch das Haus gegenüber. Ich dachte: „Wenn sie nachschauen, werden sie mich entdecken.“ Und ich ging da weg. „Geh’ entweder zum Lkw oder fliehe“, so war mir zu Mute. Ich beschloss zu fliehen.
  7. Die Kinder aus dem Ghetto wurden gleich zum russischen Friedhof abtransportiert. Da ist ein See, ich habe ein Foto von ihm. Und sie wurden in einem Eisloch ertränkt. Darunter waren auch zwei Brüder von mir. Im Frühjahr schmolz das Eis weg, und die Bewohner aus der Gegend sammelten die Leichen und begruben sie auf einer Anhöhe in der Nähe. Nach dem Krieg wurde dort ein Denkmal errichtet, ich habe das alles auf Fotos.