Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Ich arbeitete damals (Anfang der 1990er) als einfacher Technologe. Und wir beschlossen, uns nach Charkow zu begeben. Kurz gesagt, unsere zwei Zimmer in Saporoshje waren in einem guten Stadtteil, in der Nähe die Chortiza und der Dnepr, eine tolle Lage. Wir tauschten sie gegen eine Einzimmerwohnung in Charkow. Und seit 1992 lebten wir zu zweit als Rentner in Charkow.
  2. Wir erhielten die höchste Rente und hatten sogar etwas auf dem Sparbuch – 10.000 Rubel, das weiß ich immer noch. Und wir erhielten jeder 132 und lebten so eine Weile. Dann bemerkten wir: Ohne Unterstützung der Kinder werden wir nicht leben können. Und wir gingen auf die Suche.
  3. Wir hatten nicht vor auszuwandern. Aber da meine Freunde damals schon in Amerika waren, wollte ich nach Amerika reisen: „Vielleicht kann ich da arbeiten, vielleicht wird es mir da gefallen und wir werden dahin ziehen.“ Ich reiste ab ohne etwas dabei zu haben. Mein Flugticket kauften meine Freunde in Amerika…
  4. Es war 1993 oder 1994. Ich hielt mich zweieinhalb Monate in Amerika auf. Ich wohnte bei Freunden, suchte nach Arbeit, fand aber nichts Passendes. Also, ich wohnte da, schaute mir alles an – an der Ostküste. Dann kam ich nach Charkow zurück – aus Amerika wurde nichts für mich. Zu dieser Zeit wanderte man schon nach Deutschland aus. Und unsere guten Bekannten, die nach Dortmund gingen, überredeten uns einfach.
  5. Die (Frau) gab uns einen Umschlag mit der Adresse der ukrainischen Botschaft in Kiew: „Schreibt, dass ihr nach Deutschland wollt und legt eure Geburtsurkunden bei, dass ihr Juden seid.“ Wir wollten es gar nicht und sie sagte: „Vielleicht (klappt es), vielleicht nicht, macht es mal.“ Kurz gesagt, wir schickten das nach Kiew. Nach meiner Rückkehr aus Amerika erhielten wir auf einmal eine Einladung nach Deutschland.
  6. Es war ungefähr 1996 oder 1995. In dieser Zeit, 1996, sollte meine Schwester zusammen mit der Mutter nach Israel auswandern. Die Schwester traf diese Entscheidung, (denn) ihre Kinder waren schon genauso dort wie unser Sohn. Und sie und die Mutter reisten ab. Jetzt weiß ich es wieder: Ich begleitete sie nach Kiew und nahm da Abschied von meiner Mama und Schwester.
  7. Und (dann) kam ein Schreiben: „Sie können kommen und einen Antrag stellen.“ Nellja wollte auf keinen Fall nach Deutschland. Und ich stellte sie vor eine harte Wahl: „Wenn du nicht mitkommst, wandere ich alleine aus. Du hast einen Monat oder zwei, um dich zu entscheiden. Kommst du nicht mit, gehe ich alleine. Du bleibst dann hier, du hast ja die Wohnung.“
  8. Später war Nellja einverstanden und wir reisten zu zweit ab, es war im Mai 1996.