Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Wissen Sie… Das Leben in Japan hat im Grunde genommen unvergessliche Spuren hinterlassen – in meinem Gedächtnis, in meiner Mentalität und in meiner Weltwahrnehmung. Und ich sah natürlich (was um mich herum geschah)… Es war wie in dem bekannten sowjetischen Witz: Ein Patient kommt zum Arzt und sagt, „Doktor, mit meinen Augen ist etwas nicht in Ordnung.“ – „Und was haben Sie?“ – „Ich höre das eine und sehe etwas ganz anderes.“
  2. Dieses Gefühl ließ nicht nach im Laufe meines ganzen Lebens. Und offen gesagt, das provozierte latent den Wunsch wegzugehen. Zunächst konnte natürlich keine Rede davon sein. Später begann die jüdische Auswanderung nach Israel und in die USA. Offen begann es 1967 nach dem Sechs-Tage-Krieg. Da bot sich die Gelegenheit, nach Amerika, Deutschland usw. auszuwandern.
  3. Und ich sprach das stets in der Familie an: „Lasst uns auswandern.“ Wir hatten aber unsere Mütter, die wollten das überhaupt nicht, meine Frau war dazu nicht bereit. Und so zog es sich in die Länge. Nach der Perestroika war das Tüpfelchen auf das I gesetzt, und es war klar, worauf es hinausläuft.
  4. Ich bat meine Cousine Hattula für uns zu bürgen, damit wir nach Amerika auswandern können. Sie schrieb mir: „Leider gelten Cousins nicht als nächste Verwandte. Ich habe alles unternommen, mit Amerika wird es aber wohl nicht klappen.“
  5. Und gerade da meldete sich Deutschland, sodass wir entschieden, die Formalitäten anzugehen. Wir begannen damit, ich lernte zum ersten Mal in meinem Leben Deutsch. Damals war ich 63, natürlich nicht das beste Alter für das Sprachenlernen.
  6. Trotzdem konnte ich einiges erlernen. Und wir kamen 1994 hierher. Es war im Februar, und Ende März erhielten wir die Einladung ins amerikanische Konsulat in Moskau. Die Sache war (für uns) aber schon gelaufen und wir ließen es sein.
  7. Und ich muss sagen, ich bin im Grunde genommen sehr zufrieden, dass wir hier und nicht woanders leben – nämlich in Deutschland. So ist Europa in der Nähe, und der europäische Geist liegt mir nah. Mir ist natürlich bewusst, dass ich mich nicht ganz adaptieren kann.
  8. Jedoch fühle ich mich hier sehr wohl, viel besser als dort, das muss man sich eingestehen. Manchmal (nur) spüre ich eine gewisse Verlegenheit, denn ich habe eigentlich nichts für diesen Staat getan. Und ich erhalte eine Versorgung, von der ich dort nicht einmal hätte träumen können. Das ist mir bewusst.