Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Noch eins kann ich sagen. Folgendes ist verwunderlich, wenn auch dialektisch verständlich: ein riesiges Land, wo die Emigration nicht nur in der Sowjetzeit, sondern jahrhundertlang erschwert war – und in der Sowjetzeit war daran absolut nicht zu denken, sogar eine einfache Reise nach Bulgarien war schwierig. Und dieses Land war urplötzlich für die Emigration bereit.
  2. Die Leute, die uns heute Patriotismus beibringen – ihre Familien leben im Ausland. Mich ruft eine Frau an, die in Russland Bücher über Patriotismus und russische Geschichte schreibt, und sie sagt: Dort zu leben ist unmöglich, sie und ihre Enkel leben hier… Was ich sagen will: Alle waren bereit auszuwandern. Das ist erstaunlich. Obwohl man nicht sagen kann, dass es keinen russischen Patriotismus gäbe.
  3. Meine Familienverhältnisse waren so, dass ich zwei Töchter hatte. Sie beide haben Maler geheiratet. Diese Maler gehören zur „informellen Richtung“, sie wurden (früher) verfolgt. Als die Perestroika in den 1980er-Jahren begann, weckten sie dagegen auf einmal großes Interesse. In Europa gab es den sogenannten „russischen Boom“. Sie bekamen Angebote und kamen hierher, sie hatten hier Arbeit. In jener Zeit lief es bei ihnen gut, sie wollten nicht zurückkehren, auch heute nicht.
  4. Die eine Familie wurde „deutsch“, die andere blieb sozusagen russisch. Eine Rückkehr hatte eigentlich keinen Sinn, ihre Kinder, meine Enkel, wurden groß. Es sind fünf, sie gingen hier zur Schule. D.h., es war völlig klar, dass meine Frau und ich von unserer Familie getrennt sein würden. Und Russland bedeutete dann das Alter in einer einsamen Küche, denn dort versammelt man sich nicht mehr.