Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. 1990 wollte meine Tochter die Sowjetunion verlassen. Ich dachte, das klappt nicht, weil sie mit einem Fähnrich verheiratet war. Als sie „ausbrach“, konnte ich sie nicht mehr halten. Sie ging 1990 nach Israel. Mein Mann und ich blieben alleine zurück und verfolgten den Golfkrieg. Ich schlief mit dem Radioempfänger und hörte die Meldungen, wo geschossen wird. Denn meine Tochter und ihre zwei Kinder waren dort, mittendrin.
  2. Später erfuhr ich, dass es möglich ist, nach Deutschland auszuwandern. Ich dachte, das sei nichts für mich, weil meine Tochter in Israel lebte. Es wäre ja logisch, wenn man sagen würde: „Fahren Sie zu Ihrer Tochter.“ Ich schrieb einen Brief an die deutsche Botschaft in der Ukraine. Die Adresse weiß ich immer noch: Tschkalow-Straße 86 in Kiew. Ich schrieb: „Ich bin 56, Rentnerin, meine Tochter lebt in Israel“ – ich war ehrlich dabei.
  3. Ich schrieb: „Ich will die Gründe nicht nennen, warum ich nicht zu meiner Tochter auswandern will. Kann ich nach Deutschland?“ Ich erhielt einen Brief von der Botschaft: „Frau Schneidermann, wenn Sie nachweisen, dass Sie Jüdin sind, können Sie einwandern.“ Ich und mein Mann bekamen Fragebögen… Mein Mann hätte aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Israel gehen können, da er schon sehr herzkrank war.
  4. 1992 kamen wir hierher. Wir waren unter den allerersten. Im Sozialamt wusste man nicht einmal, was man mit uns machen sollte. Uns wurde Blut abgenommen, wir wurden geröntgt. Das dauerte einen Monat, wir waren wie Flüchtlinge aus Afrika. Bis zur Anmeldung mussten wir das alles machen, der Arzt musste dann ein Gutachten ausstellen.