Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Ich ging auf eine gewöhnliche sowjetische Schule. Ich war wie alle bei den Pionieren. Ich weiß nicht, ob ich ernsthafte Anliegen hatte – ein Kind hat normalerweise keine politischen Ansichten.
  2. 1936 wurde mein Vater genauso wie 29 andere Wissenschaftler in Kiew verhaftet. Dass das die „Affäre der 30“ war, erfuhr ich wesentlich später während des Chruschtschowschen Tauwetters.
  3. Das wurde „Affäre“ genannt: 30 Voll- und korrespondierende Mitglieder der Akademie der Wissenschaften in Kiew wurden verhaftet. Wenn man bedenkt, wie viele Mitglieder die Ukrainische Akademie damals hatte, wird klar, welche Größenordnung das hatte.
  4. Der Vater wurde verhaftet, meine Mama eine Zeit später ins Gebiet Archangelsk in den Norden verbannt. Mama nahm mich mit. Sie wurde nach Schenkursk geschickt, das in der Taiga liegt, 300 Kilometer südlich von Archangelsk und 300 Kilometer östlich von der Eisenbahnlinie.
  5. Meine Mama war aber Ärztin und so konnte sie dort arbeiten. Etwas später schon, im Winter – Mama war nicht die einzige Verbannte dort – verbreitete sich das Gerücht: Die Kinder der Verbannten wolle man in Waisenhäuser schicken. Dann kam der Vater einer verbannten Frau dorthin und nahm seinen Enkel und mich mit. Wir fuhren 300 Kilometer mit dem Lastwagen zur Eisenbahnlinie.
  6. Ich weiß noch, wie die Station heißt – Njandoma. Von dort kam ich nach Moskau, wo meine Tante und Großmutter lebten – Mamas ältere Schwester und Mamas Mutter. Ich blieb dort eine Weile.
  7. Doch ich hatte in Moskau noch andere Verwandte, die Angst hatten, meine Anwesenheit in Moskau könnte ihnen schaden… Und ich war ein stolzes Mädchen und sagte: „Ach so? Dann fahre ich nach Kiew, ich habe eine andere Oma dort, die keine Angst haben wird“ – Oma Shtrum.