Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Was kann ich über meine Kindheit in der Sowjetunion sagen? Wie alle Kinder rannten und tobten wir herum, amüsierten uns. Wir wussten ja nichts von den damaligen Repressalien. Obwohl doch, wir spürten das. Meine Eltern flüsterten oft miteinander, es war irgendeine Angst zu spüren, sie befürchteten etwas.
  2. Ich war zwar ein Kind, etwa acht Jahre alt, aber mir entging nicht, dass etwas Ungutes vorging. Allerdings sangen wir sowjetische Lieder über Stalin, andere kannten wir nicht. Wir hatten keine Ahnung von Politik und wussten nicht, was in der Welt vor sich ging.
  3. Heute verstehe ich das so… Als der Hitler-Stalin-Pakt unterzeichnet wurde, besuchte ich die zweite Klasse. Ich weiß noch, dass es Bilder gab von Hitler, Goebbels, Stalin, Molotow, Rosenberg usw. Wir dachten, so müsse es auch sein. Obwohl es vorher Berichte über den Krieg in Spanien gegen die Faschisten gegeben hatte.
  4. Die Politik war mir fremd, ich war Kind und verstand nichts. Wir waren der Meinung, uns ginge es gut, obwohl wir so etwas wie Zitronen, Orangen und Bananen nie zu sehen bekamen. Und sogar Zucker war für uns Luxus, wir waren arm. Ich weiß noch: Mein Vater kaufte sich mal einen warmen polnischen Mantel, unsere Winter waren streng. Er war vor Glück im siebten Himmel: „Schaut mal, keiner sonst hat so einen Mantel.“
  5. Also, wir lebten bescheiden, hungerten zwar nicht, hatten aber keinen Luxus. Gott sei Dank hatten wir einen Gemüsegarten: Kartoffeln, Mais… Wir hatten auch einige Hühner und wohnten im eigenen Haus. Mein Vater hatte es vor dem Krieg mit großen Schwierigkeiten gebaut, aber nicht zu Ende geschafft.
  6. Vor dem Krieg wurden die jüdischen Schulen geschlossen, auch die Synagoge. Es war verboten zu beten. Wir sahen das. Und die Eltern flüsterten, hatten Angst, ein Wort laut zu sagen. So war es, es hing in der Luft. Das konnte ich nicht übersehen.