Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Damals gab es jedes Jahr Abschlussprüfungen. Meine Schuldirektorin rief mich nach der Verhaftung zu sich und sagte, ich bekomme das Mittagessen in der Schule. Sie sagte, ich solle mich von den Prüfungen befreien lassen, aus gesundheitlichen Gründen. „Klawdija Alexandrowna, ich bin doch gesund!“ – „Beantrage die Befreiung aus gesundheitlichen Gründen.“ Ich wurde tatsächlich befreit und kam in die 10. Klasse.
  2. Sie und meine junge Klassenlehrerin Darja Worobjowa sprachen mit den Eltern ab, dass ich nicht alleine im Hafen wohnen solle. Außerdem war auch meine Verhaftung möglich, Kinder wurden ja auch abgeholt. Wissen Sie, ich hatte schon einen Pass, damals bekam man ihn mit 16 Jahren.
  3. Wäre ich jünger gewesen, wäre ich ins Kinderheim gekommen. Wenn meine Mutter noch da gewesen wäre, wäre ich auch verbannt worden. Altersgenossen von mir wurden verhaftet und kamen in ein anderes Lager. Meine Mutter sah in ihrem Lager Kinder in meinem Alter. Das hat ihr am meisten weh getan, sie war sicher, dass ich auch irgendwo absitze.
  4. Ja, (die Lehrerinnen) sprachen ab, dass ich bei den Eltern meiner Mitschüler wohnen kann, wochenweise. So wurde ich von Haus zu Haus gereicht.
  5. Sie halfen mir auch mit der Arbeit. Ich gab der Enkelin einer Lehrerin Nachhilfestunden, sie war in der 4. Klasse. Ich aß da zu Mittag, bekam ein großes Packet mit Lebensmitteln und trug es stolz ins Haus, wo ich gerade wohnte. Ich arbeitete auch als Putzfrau in einer Druckerei und noch woanders. Die Schule ermöglichte mir, diese schwere Zeit zu überstehen und das Abitur zu machen, um studieren zu können.
  6. Durch eine Schicksalsfügung begegnete ich vielen faszinierenden Menschen. In meinem Buch nenne ich sie Gerechte. In Israel gibt es die Allee der Gerechten, für jene, die Juden während des Krieges retteten. Es war aber nicht weniger riskant, die Kinder von „Volksfeinden“ zu retten. Daher waren ihre Taten wirklich groß. In meinem Fall sind das viele Namen.