Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. Buchstäblich in den ersten Tagen begann die Verfolgung der Juden in Odessa. Es begann mit der Anmeldung: Alle Juden mussten sich melden. Danach starteten die Verhaftungen, viele Juden wurden versammelt… Das war da, wo früher eine Militäreinheit stationiert gewesen war und noch früher Pulvermagazine. Dahin schickte man sehr viele Juden.
  2. Das Gefängnis war überfüllt. In der Stadt gab es Razzien. Der Onkel war bei seiner Freundin, die zusammen mit ihren Eltern wohnte. Ihre Eltern hatten natürlich viel Angst, weil jede Maßnahme mit Flugblättern oder im Rundfunk angekündigt wurde und zum Schluss hieß es immer: „Für die Nichtbeachtung dieses Befehls oder Verstecken von Juden wird man erschossen“.
  3. Er blieb nur eine Woche in Odessa und begriff, dass er da nicht bleiben kann. Er konnte nicht bei der Familie seiner Freundin bleiben. Außerdem sahen ihn seine Bekannten aus dem Werk oder aus der Militäreinheit, er fand es gefährlich für sich. Er besuchte einen seiner besten Freunde, dessen Nationalität war deutsch.
  4. Dieser Deutsche erhielt von den deutschen Behörden ein Papier über seine „Unantastbarkeit“. Er war mit seiner Lage sehr zufrieden, der Onkel sah ein, dass er ihm keine Hilfe leisten werde. Zur Familie seiner Freundin, wo er wohnte, kam dann noch ein Mann. Er war ein damals nicht besonders hochgestellter sowjetischer Funktionär und Parteimitglied.
  5. Er tauchte natürlich auch unter. Sie (beide) beschlossen dann die Stadt zu verlassen, es gab keinen anderen Ausweg. Sie wollten nach Orjol gehen… Orjol war auch schon besetzt. Da wohnten (aber) die Eltern der Freundin (des Onkels), und der neue Bekannte hatte sehr gute Freunde da. Deswegen rechnete er damit, dass ihnen da irgendwie geholfen werde.
  6. Genau eine Woche nach der Besetzung Odessas gingen sie am frühen Morgen los und gelangten ungestört aus der Stadt. Das war wieder ein Riesenglück, denn wären sie noch einen Tag geblieben, wäre es sehr schwer gewesen zu entkommen. Denn am nächsten Tag wurde die Kommandantur gesprengt, wo sich wichtige Behördenvertreter und Militärs – rumänische und deutsche – versammelt hatten.
  7. Nach diesem Anschlag setzten Razzien in der Stadt ein. In den Grünanlagen standen Galgen mit erhängten Juden. Die Juden, die in die Pulvermagazine eingesperrt waren, wurden in Brand gesteckt und verbrannten bei lebendigem Leib. In der Stadt gab es zahllose Streifen und Razzien. Sie hätten wohl danach nicht mehr entkommen können.