Ein Projekt der Synagogen-Gemeinde Köln und der Landesverbände
der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen-Lippe
durchgeführt vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln
Lebensgeschichten jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
in Nordrhein-Westfalen

Истории жизни еврейских иммигрантов, приехавших из бывшего Советского Союза и поселившихся
в федеральной земле Северный Рейн-Вестфалия
  1. 75:04-78:54 Er schaute sich an, was im Lager los war. Das Lager existierte schon lange, viele Kriegsgefangene befanden sich da wohl seit mehreren Monaten. Ihm war klar, dass er hier nicht überleben kann. Daher entschied er, zu fliehen oder beim Fluchtversuch getötet zu werden – das war sein dritter Tag im Lager. Er hatte einen Mantel an und reinigte ihn, damit er normal aussieht.
  2. In diesem Mantel ging er aus dem Raum, wo sie untergebracht waren, und überlegte, wie er fliehen könnte. Das Lager war mit doppeltem Stacheldraht umgeben. An jeder Stacheldrahtreihe gab es einen Wachposten, er stand am Tor. Es ergab sich, dass einige Pferdewagen in diesem Moment ins Lager hereinfuhren.
  3. Sie waren mit Kartoffeln beladen. Die Tore wurden für sie geöffnet, die Pferdewagen fuhren herein und kamen dahin, wo die Kriegsgefangenen waren. Man begann die Kartoffeln zu entladen. Das erste Tor war geöffnet, weil man wohl die Kartoffeln irgendwie hereinbringen wollte. Mein Onkel nutzte das aus: Als der Wachposten sich umdrehte und weiterging, lief er sehr schnell los, passierte das Tor und erreichte einen Wagen.
  4. Er kam zu einem Pferd und hielt es am Zügel, als ob er mit diesem Wagen hereingekommen wäre. Er schreibt, dass das nicht unbemerkt blieb, viele sahen es. Aber keiner verriet ihn. Nachdem die Wagen entladen waren, setzte er sich zu einem Jungen auf den Wagen.
  5. Er schreibt: Der Junge zitterte natürlich vor Angst, er versprach ihm aber, ihm seine Armbanduhr zu geben. Damals war das von hohem Wert, vor allem auf dem Lande. So passierten sie auf dem Wagen die zweite Stacheldrahtreihe und verließen das Lager.
  6. Danach irrte er durch die Dörfer. Schließlich zeigte man ihm wohl in einem Dorf, wie er zu den Partisanen kommen kann. In der Nähe waren schon Wälder, wo es Partisanen gab. Das war in der Nordukraine und in Westrussland, die allgemein bekannten Brjansker Wälder. So kam er zu einer (Partisanen)einheit.